Ein Besuch in der Bezirksvertretung Innenstadt Wir leben in einer Stellvertreter-Demokratie. Alle paar Jahre fühlen wir Bürger:innen uns mächtig, wenn wir gut gelaunt in die Wahlkabine treten, ein paar Kreuze auf ein Blatt Papier setzen dürfen und damit unser Vertrauen in die Menschen auf den Plakaten setzen, die dann die nächsten Jahre für uns über die Belange des Gemeinwohls entscheiden. Abgesehen von diesem […]
„Der Druck kommt immer von unten“Ein Besuch in der Bezirksvertretung Innenstadt
Wir leben in einer Stellvertreter-Demokratie. Alle paar Jahre fühlen wir Bürger:innen uns mächtig, wenn wir gut gelaunt in die Wahlkabine treten, ein paar Kreuze auf ein Blatt Papier setzen dürfen und damit unser Vertrauen in die Menschen auf den Plakaten setzen, die dann die nächsten Jahre für uns über die Belange des Gemeinwohls entscheiden.
Abgesehen von diesem einen Tag alle paar Jahre fällt es teils schwer, unsere Demokratie als System zu erfassen, in dem die Macht vom Volke ausgeht. Die steigende Anzahl an Menschen, die für ihre Ideen auf die Straße gehen, verdeutlicht: wir wollen mitreden!
Konkret anpacken kann man bekanntlich am besten vor der eigenen Haustür- think global, act local. Für diese kleinere Ebene, also die Straßen, auf denen wir uns Tag für Tag bewegen, ist in Köln das politische Gremium der
Bezirksvertretung zuständig.
„Die Bezirksvertretung entscheidet in allen Angelegenheiten, deren Bedeutung nicht wesentlich über den Stadtbezirk hinausgeht. Sie wird zu allen Angelegenheiten gehört, die den Stadtbezirk berühren“ heißt es auf der Website der Stadt Köln. Und dafür gibt’s auch Geld:
„Die Bezirksvertretung hat die Möglichkeit, für verschiedene Bereiche bezirksorientierte Mittel einzusetzen, um damit beispielsweise Aktivitäten in folgenden Bereichen zu fördern: Kinder-, Jugend- und Familienhilfe; Soziale Hilfen, Seniorinnen und Senioren; Schulträgeraufgaben; Sportförderung; Kulturförderung sowie Heimat- und Brauchtumspflege; Bürgerhäuser und Bürgerzentren; Öffentliches Grün und Erholungsanlagen“.
Die BV berät also zu so ziemlich allem, was uns als Otto Normalbürger:innen so beschäftigt. In der Praxis treffen sich die 19 Mitglieder sieben Mal im Jahr und stimmen über verschiedene Punkte auf der Tagesordnung ab. Hier kommen wir Bürger:innen ins Spiel, denn auf die Tagesordnung kann es im Prinzip jede:r schaffen! Oder wie es die Stadt Köln ausdrückt:
„Nach § 24 GO NRW hat jeder das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Anregungen oder Beschwerden in Angelegenheiten der Gemeinde an den Rat oder die Bezirksvertretung zu wenden. Weitere partizipative Instrumente sind der Einwohnerantrag, das Bürgerbegehren oder der Bürgerentscheid“.
Da kann man als Bürger:in also tatsächlich auch außerhalb der Wahlkabine Macht ausüben. In der Sitzung am 07.04.2022 wurde über eine solche Bürger:inneneingabe zur Parksituation in der Sedanstraße entschieden. Anwohner:innen hatten beantragt, 12 gebührenfreie Parkplätze mit Pollern zu blockieren, damit andere Fahrzeuge nicht mehr auf dem Bürgersteig parken können, um die Barrierefreiheit der Straße zu gewährleisten. Die Parkplätze wurden bislang von einem ansässigen Unternehmen für Firmenfahrzeuge genutzt.
Der Antrag erreicht die Mitglieder der Bezirksvertretung weit im Voraus, sodass sie ihre Positionen dazu finden und sich ggf. auch in einem Ortstermin gemeinsam ein Bild machen können. Um eine fundierte Entscheidung treffen zu können, werden die verschiedenen Seiten in der Sitzung nochmal dargelegt. Ein junger Mann stellte die Eingabe in der Sitzung vor, der betroffene Unternehmer durfte sich ebenso zur Situation äußern und die Mitglieder Rückfragen stellen:
„Haben Sie eine Sondernutzungserlaubnis für diese 12 Parkplätze oder meinen Sie, Sie sind etwas Besseres, weil Sie nicht wie jede:r andere auch fürs Parken bezahlen?“
benannte ein Mitglied der Grünen den Elefanten im Raum.
„Demokratie dauert halt“
Und dann wird diskutiert – zwar emotional, aber eben auch nicht zu wild, denn ja, wir sind immer noch in Deutschland und da gibt’s eben Regeln. So sind beispielsweise nur zwei Wortbeiträge pro Fraktion und Thema erlaubt und damit es zu keinen Verfahrensfehlern kommt, gibt es neben dem Bezirksbürgermeister, der die Sitzung leitet, noch eine weitere Person, die den Diskussions- und Abstimmungsprozess ganz genau im Blick hat. Und da wird dann auch schon mal mehr Zeit aufgewendet, um das richtige Verfahren zu klären, als über den Sachverhalt zu diskutieren.
Aber gut, um fair zu sein, es müssen auch irgendwo Grenzen gesetzt werden. So eine Sitzung kann nämlich auch trotz Redebegrenzung mal locker sechs Stunden gehen. Demokratie dauert halt. Als Mitglied in der Bezirksvertretung braucht man also eine dicke Haut, um den Argumenten der anderen Parteien standhalten zu können und mindestens genau so viel Geduld.
Bei der Abstimmung an sich geht dann alles ganz schnell. Ob ein Antrag durch kommt oder nicht liegt nämlich an der anteiligen Zusammensetzung der BV. Hier zeigt sich also die Macht, die wir an die Stellvertreter:innen der Parteien abgetreten haben.
Die BV Innenstadt setzt sich aktuell aus acht Mitgliedern der Grünen, je drei für SPD und CDU, zwei für die Linke und je ein Mitglied für FDP, Klima-Freunde und die Partei zusammen. Und dann wird klassisch per Handzeichen abgestimmt. Wer einfach durch die Mehrheit überstimmt wird, hat eben Pech gehabt. Das ist manchmal ganz schön hart.
So wurde auch die Bürger:inneneingabe zu den Parkplätze in der Sedanstraße von den Grünen, der Linken sowie den Vertreter:innen von Klimafreunde und der Partei „durchgestimmt“. Die Parkplätze werden also zugunsten der Barrierefreiheit abgepollert, der Unternehmer muss seine Fahrzeuge in ein Parkhaus stellen.
Die BV hat Macht, doch wer sitzt eigentlich drin?
Klar, dass die demokratisch gewählten Stellvertreter:innen in der Bezirksvertretung für die Belange ihrer Partei eintreten ist selbstverständlich. Die Zusammensetzung der Mitglieder gibt allerdings zu denken, für wen hier Politik gemacht wird. Denn dort sitzen Menschen, die deutlich weißer, männlicher und älter sind als der Durchschnitt der Bevölkerung in der Innenstadt. Junge Migrantinnen? Fehlanzeige. Ob gerade eher privilegierte Menschen in unserer Gesellschaft für die Bedürfnisse diskriminierter und marginalisierter Gruppen einstehen können, bleibt fraglich.
Letzten Endes entscheidet die demokratisch gewählte Mehrheit, aber wir können mitreden und mitbestimmen, über was geredet wird, wie auch der Bezirksbürgermeister Andreas Hupke betont:
„Der Druck kommt immer von unten“.
Wer unsere Demokratie gerne selbst aus nächster Nähe betrachten möchte, kann einfach die
nächste Sitzung der Bezirksvertretungbesuchen. Diese sind öffentlich und für eine Teilnahme braucht es aktuell nur aufgrund von Corona eine formlose Anmeldung per Mail.