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HiK Heimatlos in Köln
Marc Kersten fühlt sich nachdenklich.
Menschen müssen atmen, essen, trinken, schlafen und sich ihrer nicht verbrannten Verdauungsreste entledigen. Wir müssen mal! Und das ist während dieser Pandemie... ein echtes Problem. Denn viele Gastronomien sind geschlossen. Die wenigen offenen erlauben den To-go-Käufern oft keinen Toilettenbesuch. Oder nur zu Tarifen, wie an Karneval.
Jetzt macht sich bemerkbar, dass Köln zwar eine wunderbare Website bietet (
www.toiletten.koeln), um öffentliche Bedürfniseinrichtungen zu finden, derer aber nicht so viele existieren. Besonders leiden darunter unsere obdachlosen Mitmenschen, die nicht mal eben "nach Hause" können, für die es auch zu wenig Tagesaufenthaltsmöglichkeiten gibt. Ihnen bleibt oft nur die Möglichkeit, ihre Notdurft im öffentlichen Straßenraum zu verrichten, was natürlich für Konflikte sorgt. Und wenig menschenwürdig ist!
Die Wahrnehmung, dass dies in den letzten Monaten häufiger vorkommt als zuvor, mag allerdings in die Irre führen. Denn es sind ja wegen der Kontaktbeschränkungen dramatisch weniger Menschen auf der Straße, und die Obdachlosen können nicht ausweichen und fallen so stärker im Stadtbild auf, auch wenn sich ihre Zahl gar nicht signifikant vergrößert hat.
Aber nicht nur Obdachlose leiden unter dem coronabedingten Mangel an Toiletten. Gestern liefen mir zwei junge Frauen über den Weg, die in der feuchten Kälte an einer Kundgebung teilnahmen und ganz dringend mussten. Ins Rathaus wollte man sie nicht hineinlassen, die angrenzende Gastronomie zeigte sich unkooperativ. Auch Familien mit Kleinkindern schlagen sich derzeit oft notgedrungen in die Büsche. Hinzu kommt, dass im Oktober, parallel zum neuen Lockdown, viele saisonale Toilettenanlagen z.B. in Parks abgebaut wurden. Ob das so klug war?
Festzuhalten bleibt: Wenn man einen Großteil der nutzbaren Toiletten (in der Gastro) per Dekret schließt, darf man sich nicht wundern, wenn es unerwünschte Nebenwirkungen gibt. Und hätte man dafür nicht vorplanen können?
Davon abgesehen: Macht es wirklich Sinn, die Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum bei Obdachlosen strikt anzuwenden und Bußgelder zu verhängen, die sie eh nicht zahlen können? Während ich und die meisten Menschen nach einer solchen Verwarnung einfach nach Hause gehen können, wo de facto niemand die Einhaltung kontrolliert, ist es für Menschen ohne Obdach die einzige Kontaktmöglichkeit. Sie haben auch keine tollen iPads mit denen sie Zoom-Konferenzen abhalten können, um Kontakte zu pflegen, oft auch kein Handy, um einander anzurufen. Sie sind nicht in sozialen Netzwerken und sie swipen nicht nach links oder rechts auf der Suche nach ihrem Glück, sondern fragen sich ob sie auf der linken oder rechten Straßenseite ihr Notlager aufschlagen.
Deshalb meine herzliche Bitte an alle: Versetzt Euch mal in diese Menschen hinein, anstatt jetzt nach dem Ordnungsamt zu rufen!
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