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„Isoliert euch und bleibt zuhause“, hieß es besonders zu Beginn der
Corona-Pandemie. Mit diesem Gebot konnten viele Wohnungs- und Obdachlose
in Köln nicht viel anfangen. Wohin zurückziehen, wenn es kein Zuhause
gibt? Christina Bacher ist seit fast 16 Jahren Chefredakteurin der
Straßenzeitung „Draussenseiter“ und hat zur Situation von Obdach- und
Wohnungslosen im sozialen Lockdown ein […]
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„Die Letzten hier“ – Buchvorstellung und Lesung„Isoliert euch und bleibt zuhause“, hieß es besonders zu Beginn der Corona-Pandemie. Mit diesem Gebot konnten viele Wohnungs- und Obdachlose in Köln nicht viel anfangen. Wohin zurückziehen, wenn es kein Zuhause gibt? Christina Bacher ist seit fast 16 Jahren Chefredakteurin der Straßenzeitung „Draussenseiter“ und hat zur Situation von Obdach- und Wohnungslosen im sozialen Lockdown ein Buch veröffentlicht. Am 30. Juni stellte sie dies, gemeinsam mit der Lyrikerin Sabine Schiffner, im Vringstreff in der Südstadt vor.
Betroffenen eine Stimme geben
Christina Bacher kennt viele Geschichten von Menschen, die auf der Straße leben. Seit vielen Jahren arbeitet sie mit ihnen zusammen, um die Straßenzeitung „Draussenseiter“ herauszugeben. Für sie war mit Beginn der Pandemie sofort klar: Personen ohne festen Wohnsitz erleben den Lockdown ganz anders. Mit ihrem Buch „Die Letzten hier: Köln im sozialen Lockdown“ veröffentlichte sie 2021 eine Sammlung von Texten, die zuerst im „Draussenseiter“ erschienen sind. Es sind Texte von Menschen, die auf der Straße leben und die ihre Eindrücke schildern. Ergänzt wurden ihre Geschichten mit Fotos der Protagonisten und mit Gedichten der Lyrikerin Sabine Schiffner.
„Schön“ oder „herrlich“ bedeutet das dänische Wort „DEJLIG“. Genau darum geht es in dem Concept Store mit Smørrebrød Bar, der im September 2…Bachers Ziel ist stets gewesen, den Betroffenen von Obdachlosigkeit eine Stimme zu geben, sie für sich selbst sprechen zu lassen. Am Donnerstagabend zeigte sie verschiedene Bilder aus dem Buch und erzählte von ihren Begegnungen. Schiffner untermalte diese Erlebnisse mit in Gedichtform verfassten Geschichten. Die Schriftstellerin war sich zunächst unsicher, erzählt sie, ob ihre Gedichte über Beobachtungen und Situationen mit Menschen, die auf der Straße leben, als übergriffig empfunden würden. Daher schickte sie ihre Werke an Christina Bacher, die sie seit vielen Jahren kennt. Bacher war begeistert und bat darum, einige der Texte in ihrem Buch zu veröffentlichen. Das ein oder andere Stück befindet sich auch in Schiffners neuem Gedichtband „wundern“, der in diesem Jahr erschienen ist.
Für wohnungs- und/oder obdachlose Menschen änderte sich mit Beginn der Pandemie und dem darauffolgenden Lockdown ihr Leben komplett. Von einem auf den anderen Tag konnten sie kein Flaschenpfand mehr sammeln, ihre Straßenzeitungen nicht länger verkaufen, nicht mehr um Geld bitten – denn es war niemand mehr auf den Straßen unterwegs. Bis auf die Leute, die dort leben. „Es war eine einsame Zeit“, erzählt Bacher. Die Menschen hatten niemanden, mit dem sie noch reden konnten, sie waren die Letzten hier. Diese Feststellung wurde für Bachers Buch titelgebend. Sie betont: „Die Lebensgeschichten der Obdachlosen können sich täglich ändern.“ Daher seien die Geschichten als Momentaufnahmen zu verstehen. Zwar würden auch Themen angesprochen, die langfristig relevant sind, wie beispielsweise ausgrenzende Architektur, allerdings hätten sich auch viele Lebensgeschichten in der Zwischenzeit wieder verändert.
Aggressionen und Empathie
Bacher erzählt zum Beispiel von Egbert, den sie im August 2020 getroffen hat. Egbert kam aus den Niederlanden. Er war Triathlet, bis er eine Art „Burn Out“ hatte, in seinen Wagen gesprungen ist und wegfuhr. Nach Spanien, nach Portugal, und zurück, bis dann, kurz vor Frankfurt, sein Auto aufgab und er zu Fuß nach Köln lief. Dort blieb er. Egbert wurde im Lockdown mehrfach von Jugendlichen auf der Straße angegriffen und landete im Krankenhaus. Er berichtet davon, „den Aggressionen der anderen hilflos ausgeliefert“ gewesen zu sein. Wenige Wochen nach Bachers Treffen mit ihm stirbt er.
Seit Mitte Mai diesen Jahres kann kaum ein Schleckermaul am neuen Kamellebüdchen in der Alteburger Straße vorbeigehen, ohne mindestens einen…Das ist die eine Seite von Erfahrungen, die Obdachlose im Lockdown erlebten. Aggressionen, Wut, Verzweiflung. Die Menschen schienen mit der Situation überfordert gewesen zu sein, und ließen diese Überforderung an anderen aus. Aber auch von der anderen Seite berichtet Bacher. Es habe ebenfalls eine Welle der Solidarität gegeben: „Corona hat auch Empathie in Menschen ausgelöst“, sagt sie. Menschen, die sich zuvor nicht mit der Situation von Wohnungs- und Obdachlosen beschäftigten, konnten erstmalig erfahren, wie es ist, wenn man sich machtlos fühlt und nichts dagegen tun kann. Bacher berichtet von dem Projekt der „Helping Hands“, die mit Spendengeldern eine Jugendherberge mieteten und dadurch im Winter 40 Zimmer Menschen zur Verfügung stellten. Dadurch konnte sogar noch der Job des Rezeptionisten gerettet werden. Ebenfalls habe es die Aktion der „Nachtcafés“ gegeben. Verschiedene Kirchen öffneten abends ihre Türen, stellten ein kleines Abendessen zur Verfügung und boten in ihren Räumen einige Schlafstellen an. Nach einem Frühstück am nächsten Morgen durften die Menschen dann weiterziehen.
Die Vielfalt an Einrichtungen, die es in Köln gibt sei elementar, sagt Bacher. Und es sei absolut wichtig, diese Vielfalt beizubehalten, das Angebot dürfe nicht eingeschränkt werden.
Die Buchvorstellung von „Die Letzten Hier: Köln im sozialen Lockdown“ fand im Zusammenhang mit der Wanderausstellung „Kunst trotz(t) Ausgrenzung“ statt, die noch bis zum 19. August in Köln zu sehen ist. Die Ausstellung wird unter anderem in der Diakonie Michaelshoven und im Vringstreff gezeigt. Weitere Informationen gibt es unter diesem Link.
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