„Ich will se alle haben“
Inzwischen, sagt Christa Franz, habe sie sich an den Ruhestand gewöhnt. 17 Jahre lang hatte sie die Kneipe „Em Strüßje“ Ecke Veledastraße/Siegfriedstraße geführt und den Laden dann gleich im Anschluss an die Karnevalstage an ihre Nachfolger übergeben.
Am Aschermittwoch war alles vorbei
„Die erste Zeit war es schon irgendwie komisch, zumal ich auch oben drüber wohne“, erzählt die Wirtin im Ruhestand. Verständlich, hatte doch die Kneipe im Erdgeschoss des Wohnhauses lange Zeit ihren gesamten Tagesrhythmus bestimmt.
„Aber jetzt ist alles gut, und ich freue mich besonders, wenn ich sehe, dass die Jungs unten das ‚Strüßje‘ so schön hergerichtet haben. Da war ich in der letzten Zeit nicht mehr wirklich in der Lage zu, ich war einfach platt.“ Die „Jungs“ sind Valentin Meyer und Jan Ratz. Am 1. April hat das gastronomieerfahrene Duo nach einer kleinen Renovierungsschließung den Laden wiedereröffnet.
Klönschnack am Fenster (Foto: Nora Koldehoff) Die Eckkneipe selbst gibt es schon lange. Mehr als dreißig Jahre lang war sie zunächst von Christas Vorgänger Kurt Wilhelm bewirtschaftet worden. Die gebürtige Südstädterin, die damals schon um die Ecke wohnte, arbeitete zu dieser Zeit noch als Rechtsanwaltsfachangestellte und kannte die lange Ecktheke im „Strüßje“ nur von der anderen Seite: als regelmäßige Besucherin. Das allerdings nur, bis sie nach heftigen Streitigkeiten dem damaligen Wirt aus dem Weg ging.
Ein eigenes Lokal
Als die Anwaltskanzlei schließen musste und sie arbeitslos wurde, nahm ihr noch vager Plan, sich selbstständig zu machen, Gestalt an. Ihre bisherige Arbeit und das damit verbundene juristische Wissen um behördliche Vorgänge spielten ihr dabei in die Hände: Schon lange, bevor eine Übernahme spruchreif wurde, begann sie damit, sich ein umfassendes Grundwissen anzueignen, besuchte Kurse der IHK zur Existenzgründung und besorgte schon mal vorsichtshalber alle nötigen Unterlagen und Anträge.
Das „Strüßje“ stand dabei von Anfang an weit oben auf der Wunschliste, auch wenn eine richtige Übergabe unter Wirten aussichtslos war. Irgendwann würde ja vielleicht der Platz hinter der Theke einmal frei werden. Christa hatte die Genossenschaft, der das Gebäude inzwischen gehörte, über ihr anhaltendes Interesse und ihre Bemühungen auf dem Laufenden gehalten, wann immer sie deren Mitarbeiter*innen traf. „Die haben schon die Augen verdreht, wenn sie mich nur gesehen haben“, lacht sie. „Aber gut, was soll man machen. Ich habe weiter alle möglichen Schulungen und Lehrgänge besucht und Papiere zusammengebracht, die man so braucht.“
Fan-Statement (Foto: Nora Koldehoff) Familiäre Vorbelastung
Außerdem kannte sie auch das Kneipengeschäft bereits, denn ihre Eltern hatten ein Lokal in der Follerstraße betrieben. „Gerade darum hatten meine Eltern auch darauf bestanden“, erinnert sie sich heute, „dass ich ‚was Vernünftiges‘ lerne. Hatte ich ja auch. Und jetzt wollte ich meine eigene Kneipe. Und die sollte einfach einladend sein. Ich hab‘ immer gesagt: ‚Ich will ‘se alle haben, Alte, Junge, ganz egal‘.“
In der Kölner Kneipenszene kannte man ihren Namen schon. „Mein Mädchenname ist hier ziemlich bekannt: Nimmesgern“, erzählt sie lachend. „In der Kanzlei wollten sie mir schon ein Pseudonym geben, weil es immer wieder für Irritation gesorgt hatte, wenn ich mich am Telefon gemeldet habe. Was waren die froh, als ich nach meiner Heirat einen anderen Namen hatte.“
Mit Beharrlichkeit ans Ziel
Nach einigen Monaten Beharrlichkeit war es dann soweit: „Am 15. Mai 2007 war ich von der Genossenschaft Mieterschutz zum Gespräch eingeladen. Der bisherige Wirt hatte den Vertrag gekündigt. Ich habe dann überlegt, machste jetzt hauschnau (*) oder biste ein bisschen zurückhaltend. Ich war dann schon mal erst zurückhaltend, aber sie sollten auch wissen, dass ich ein Kölschˋ Mädsche bin. Und nach zwanzig Minuten Gespräch hatte ich den Pachtvertrag.“
Wiedereröffnet wurde am 7. Juli.2007, mit voller Hütte und unter den neugierigen Blicken der bisherigen Stammgäste. „Da gab es ein großes Gejammer, weil ich doch einiges entsorgt hatte, was ihnen lieb und wichtig war: Warum haste denn die ganzen Plastikblumen weggeschmissen, warum keine Vorhänge mehr und was weiß ich“, erinnert sich Wirtin im Ruhestand. „Ich wollte einfach den alten Muff rauskriegen. Anfangs habe ich da ganz höflich drauf reagiert, aber irgendwann bin ich dann sehr resolut geworden. Irgendwann musste Dich durchsetzen, sonst biste verraten und verkauft.“
Die (ehemaligen) 3 von der Tankstelle: Christa mit Magret (links) und Anni (Foto: Nora Koldehoff) Zapfenstreich im Februar
Die alten und neuen Stammgäste, die sie schnell selber hatte, sind Christa Franz natürlich auch ans Herz gewachsen: „Was den Kontakt zu denen betrifft, hätte ich das normalerweise auch noch weitermachen können. Das sind einfach nur tolle Leute.“ Nicht selten hat sie auch für sie gekocht. Man trifft sich hier – für das Würfelspiel „Schocken“, zum Dartturnier oder einfach nur zum Klönen.
Kurz vor den – nochmal heftigen – Karnevalstagen hatten sich rund 80 ihrer Gäste zusammengetan und eine inoffizielle Abschiedsfeier organisiert. „Kein Wort ist davon zu mir durchgedrungen“, lacht sie. „Ich wusste nur, dass der Haie-Fanclub ‚Clownfische‘ sich hier nochmal treffen wollte.“ Dazu kamen „ihr“ Karnavalsverein Südstadtjecke und viele weitere Feiernde. An dem Tag war die Theke voll. „Auf einmal hieß es: Komm mal raus. Und da stand der Michael Rheinländer, der hier schon öfter mit seinen Krätzjer aufgetreten war, die Südstadtjecke, die Clownfische und alle.“ Die Kapelle spielte Ständchen auf der Straße, und alle sangen mit. „Die hatten den ganzen Abend durchorganisiert, mit Musik und Auftritten, Blumen und was nicht alles. Da hatte ich schon Tränen in den Augen“.
Ständchen im Dunkeln (Foto: Nora Koldehoff) Übergabe an die Nachfolger
Eine offizielle Abschiedsfeier gab es dann auch noch – und nun ist Ruhe eingekehrt im Leben von Christa Franz. Die behutsamen Änderungen ihrer Nachfolger beobachtet sie wohlwollend und entspannt: „Das wusste ich immer: Ich werde niemals so eine unschöne Übergabe machen, wie ich sie seinerzeit selbst erlebt habe. Auf keinen Fall.“
Und zählte sie zu den ersten Gästen der wiedereröffneten Kneipe – auf ein Kölsch, oder zum „Schocken“. Jetzt aber wieder auf der anderen Seite der Theke: „Ich bin raus und bleibe auch raus. Die machen das wirklich super gut, ich sitz‘ da, unterhalte mich und hab einfach nur Spaß.“
(*) hauschnau: plötzlich, ratzfatz, geraderaus
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Meine Südstadt.