„Parteien sollten mehr hörfähig werden“
Jetzt ist Sonntag, es wird gewählt. Nicht nur unsere Parlamente, Stadtrat und Bezirksvertretungen, sondern auch die formalen Chefs vont Janze, Oberbürgermeisterin oder Oberbürgermeister.
Hart last minute berichten wir Euch von unseren Treffen im Süden Kölns mit einigen der Kandidat*innen für diesen nicht wirklich bequemen Posten. Und den Eindrücken, die wir ganz persönlich gewonnen haben.
Im vierten und letzten Teil dieser Reihe erzählen wir vom Gespräch mit Hans Mörtter, dem OB-Kandidaten, der hier bei uns aus dem Viertel stammt und der wie die anderen Kandidat*innen für ganz Köln antritt.
Wahlwerbung, siehe Titelbild, macht für ihn nicht nur André Salentin vom Verein Obdachlose mit Zukunft (OMZ e.V.). Sondern ganz viele Unterstützer*innen, die in den letzten Monaten, ja anderthalb Jahren, zu „seinem“ Team zusammengewachsen sind.
Wahlkampf mal ehrenamtlich und ohne Plakate
Sie haben sich und ihre Expertisen an seine Seite gestellt, Fachlichkeit aus vielen Bereichen: Grafik, Design, Kommunikation, Architektur, Soziale Arbeit, Klima, Mobilität, Finanzen oder Kunst&Kultur. Alle ehrenamtlich haben gemeinsam seine Auftritte, seine Termine, seine Kampagne, sein Logo, sein Lied, kurzum seinen gesamten Wahlkampf gestemmt. Hut ab, denke ich, angesichts der stolzen Summen, die Parteien für den Wahlkampf ihrer Kandidat*innen ausgeben. Nicht nur für die vielen Wahlplakate, „Die ja nur künftiger Sondermüll sind“, wie Mörtter findet und selbst einfach erst gar keine hat drucken lassen. Stattdessen fährt er Fahrrad, seit Wochen in viele, auch entlegene Stadtviertel Kölns.

Hans Mörtter mit seinem Wahlkampf-Rad. Rot wie sein altes, aber mit E-Verstärkung (Bild: Judith Levold)
Bündnisse schmieden kann ich
Das „Prinzip Anne Hidalgo“ anwenden wolle er, sagt Hans Mörtter bei einem Pflaumenkuchen in einem Café an der Bottmühle. Das bedeute „Mit den besten Leuten die besten Konzepte realisieren“, und ergänzt: Erprobtes und Erfolgreiches aus Städten wie Paris, Barcelona, Wien, Zürich oder Kopenhagen solle Köln prinzipiell übernehmen.
Das betreffe im Grunde alle Bereiche, von Mobilität über Klimawandelanpassung und Sauberkeit in den Veedeln bis zu Armutsbekämpfung. Sich Vernünftiges und Zukunftsfestes zum Vorbild nehmen und es für Köln zu adaptieren, dafür wolle er mit aller Kraft kämpfen. „Und Bündnisse schmieden kann ich ganz gut“, gibt er sich zuversichtlich.

Hans Mörtter beim Sommerfest im Hof des Johanneshaus in der Annostraße – im Gespräch, wie immer (Bild: Judith Levold)
„Nie gefragt worden“
Oder den Umgang mit einem seiner großen (Sozial-)Themen, der Wohnungslosigkeit. „Da beschäftige ich mich seit Jahren mit, da haben wir mit dem Vringstreff hier Beispielhaftes gemacht, das Konzept Housing First etwa nach Köln geholt und ich habe noch weitere Vorschläge zur sinnvollen Lösung der Probleme“. Aber im Wahlkampf habe ihn danach niemand gefragt, er sei nie eingeladen worden zu entsprechenden Diskussionen und die führenden Medien in der Stadt hätten ihn „irgendwie ignoriert“. „Das finde ich ein bisschen undemokratisch, also den parteiunabhängigen Kandidat*innen gegenüber“, meint er.
Ermessensspielräume besser nutzen
Aber er wolle nicht amentieren, stattdessen hofft er, zu überzeugen mit seinen Ideen für ein besseres „Funktionieren“ von Köln. „Vor allem möchte ich als OB anders mit meinen Verwaltungsmitarbeiter*innen zusammen arbeiten. Man muss einfach ganz genau die Ermessensspielräume, die Gesetzen und Vorschriften innewohnen, erkennen und nutzen. Für neu gedachte Lösungen von Problemen“. Er setze da auf kluge Jurist*innen in der Verwaltung und auf die zahlreichen Mitarbeiter*innen, die „Richtig Bock haben und die, wie viele mir selbst gesagt haben, bislang mit angezogener Handbremse arbeiten“.

Hans Mörtter im Gespräch, beim Zuhören (Bild. Judith Levold)
Radikal machen
Hans Mörtter ist fest entschlossen, zahlreiche Möglichkeiten und Veränderungen zu initiieren. Als OB will er sie anstoßen, vorantreiben und mit Partei übergreifenden Verbündeten auch zur Anwendung bringen, etwa im Bereich Wohnen/Bauen. Zum Beispiel darauf hinarbeiten, dass künftig bei Entwicklungsvergaben an private Investoren auf städtischen Grundstücken, eine Quote an öffentlich gefördertem Wohnraum von 50, statt nur 30% gefordert wird. Andererseits dass man aber auch schon traditionelle und ja gute Regeln wie Milieuschutzsatzungen überdenkt und ändert: „Das kann ja nicht sinnvoll sein, dass solche Satzungen Vorschriften beinhalten, die in dem jeweiligen Gebiet total sinnvolle Projekte für mehr Wohnraum blockieren. Oder für Klimaschutz“.
Ein weiteres Projekt von ihm sei, dafür zu werben, das Vorkaufsrecht der Stadt für Liegenschaften echt konsequent umzusetzen. „Das wird ja schon gemacht, muss aber radikal gemacht werden“, ist er überzeugt.

Flyer von Hans Mörtter im Großformat auf seinem Fahrradanhänger (Bild: Judith Levold)
Parteienarroganz
Ähnliches sieht er für den Bereich Klimapolitik: „Überall in Köln muss Grün hin. Grün, Grün, Grün. und Wasser“, redet er sich in Rage. „Wir werden gegrillt hier in ein paar Jahren“, ist er sich sicher. Und verweist dazu auf wissenschaftliche Erkenntnisse, unter anderem von seinem Bekannten Karsten Schwanke, Meteorologe und Klimaexperte.
Es gebe da so ein bisschen eine Art Parteienarroganz gegenüber Existenziellem, findet Mörtter, „Die Parteien sollten wieder mehr hörfähig werden“. Und mit der Stadtgesellschaft zusammen arbeiten. „Denn die Kraft und Expertise stecken in allen Kölner*innen zusammen“. Sein Traum? Ein Köln, gestaltet von allen Kölner*innen.
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Meine Südstadt.