Donald Trumps Vorschlag, den Gazastreifen in ein amerikanisches Immobilienprojekt zu verwandeln, erscheint so dreist und frivol, dass sich die internationalen Reaktionen bisher auf ein Kopfschütteln beschränkten. Offenbar ist für den amerikanischen Präsidenten selbst ein Land mit Millionen Einwohnern nichts anderes als ein New Yorker Häuserblock, bei dem Abriss und Entmietung praktischerweise schon vollzogen wurden. Aber auch die arabischen Länder, in die nach Trumps Willen die dann obdachlos werdende Bevölkerung abgeschoben werden soll, sahen sich nicht ernsthaft provoziert. Ägypten und Saudi-Arabien (das hinter Jordanien steht) sind keine Kleinstaaten, mit denen man spielen kann.

Anders verhält es sich mit Dänemark. Die Ministerpräsidentin Mette Frederiksen, so berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, sei kreidebleich nach dem Telefongespräch mit Trump gewesen, das sie kurz vor dessen Amtsantritt führte. Er war bei seiner Drohung geblieben, Grönland entweder von Dänemark zu kaufen oder durch Zwangsmittel an sich zu bringen. Und in diesem Fall, so hatte ihr Außenminister prophezeit, "werden wir die schwerste außenpolitische Krise haben, die wir in Dänemark seit vielen, vielen Generationen hatten".

Aber was heißt hier Krise? Genauso gut, wenn auch gegen die diplomatischen Gepflogenheiten, hätte der dänische Außenminister sagen können: In diesem Fall werden wir Grönland verlieren. Und selbst wenn es einen Hoffnungsrest nach dem Telefonat noch gegeben haben sollte – die Gesichtsfarbe der Regierungschefin sprach dagegen –, dann wäre er nach Trumps Antritt eine Woche später verflogen. Beim Unterzeichnen seiner Eildekrete sagte er zur Causa Grönland: "Wir brauchen es", und Dänemark werde gewiss "mitmachen".

So ähnlich spricht die Mafia, wenn sie ihr Auge auf ein Objekt geworfen hat und sich ihres Drohpotenzials sicher ist. So ähnlich sprachen die USA im 19. Jahrhundert, wenn sie sich Land im Besitz einer schwächelnden Nation zur Expansion ausguckten. Der Kauf war nur die erste Option, vor allem wenn der Preis stimmte und man eine finanzielle oder anders gelagerte Bedrängnis ausnutzen konnte. Auf diese Weise gelang der Erwerb Louisianas 1803 von Napoleon I. (er hatte in Europa andere Sorgen) und Alaskas 1867 von Russland (knapp bei Kasse nach dem verlorenen Krimkrieg). Aber schon die Inbesitznahme Floridas gelang 1819 nicht allein durch Geld und einen Gebietstausch mit Spanien, sondern erst nach einem vorangegangenen Krieg.

Der typische Ablauf war allerdings der umgekehrte: Erst wurde Geld geboten, dann kam das Militär. Es ist anzunehmen, dass die Geschichte auch dem Auswärtigen Amt in Kopenhagen für die Erkenntnis reicht, dass sich Dänemark gegenüber den USA in derselben Lage befindet wie Mexiko, als man dem Land 1845 erst Texas, dann 1848 Oberkalifornien abnahm (all die heutigen Bundesstaaten Kalifornien, Arizona, Nevada, Utah sowie Teile von Colorado, New Mexico und Wyoming umfassend).

In beiden Fällen wurden zunächst Kaufangebote unterbreitet, die von der gerade unabhängig gewordenen, aber nach dem Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien auch erschöpften Republik Mexiko gleichwohl empört zurückgewiesen wurden. Dass sie sich die schöne Geste nicht leisten konnte, ahnten wohl manche und prophezeiten richtig, dass sie daraufhin nur durch Krieg verlieren würden, was sie nicht verkaufen wollten. Aber Stolz und Ehre einer eben geborenen Nation gingen vor. Man weigerte sich, Unterhändler des amerikanischen Präsidenten James Polk überhaupt zu empfangen.

Es wäre allerdings falsch, darin nur tragisches Machotum zu sehen. Die Republik hatte zumindest umrisshaft auch ein Bewusstsein von Verantwortung und Schutzpflichten für ihre Bürger. Man verkauft nicht einfach Land mitsamt seinen Menschen – zumal in Mexiko gerade zuvor die Sklaverei verboten worden war. Das war allerdings auch genau der Grund für viele weiße nordamerikanische Siedler, die sich in Texas niedergelassen hatten, nach Unabhängigkeit von Mexiko zu streben. Und siehe da – kaum fünfzehn Jahre später, nachdem das vorübergehend unabhängige Texas Bundesstaat der USA geworden war, schloss es sich im Amerikanischen Bürgerkrieg den sklavenhaltenden Südstaaten an.

Aber wie immer die Motivlage der Texaner zu bewerten ist – für Dänemark zeigt sich im Rückblick auf deren Unabhängigkeitsbestreben eine beunruhigende Parallele zu den Problemen, die es mit der Loyalität der grönländischen Bevölkerung gibt. Auch hier ist nicht ausgeschlossen, dass die USA die Unzufriedenheit mit der dänischen Verwaltung nutzen könnte. Den Versuch, eine Volksbegeisterung für den Anschluss zumindest zu türken, hat ja Trump junior bei seinem Blitzbesuch auf der Insel schon gemacht.