Elisa Henke macht einen Europäischen Freiwilligendienst im griechischen Serres. In der NGO PRAXIS arbeitet sie seit September 2019 mit Geflüchteten. Auf agorayouth schreibt sie eine kleine Serie über ihre Erlebnisse. In Teil Zwei berichtet Elisa, wie sie versucht, die Bevölkerung zu aktivieren und Brücken zwischen Einwohnern und Geflüchteten baut. Neben der Unterstützung von Geflüchteten besteht […]
Artikel ansehen
Zusammenfassung ansehen
Was eine Freiwillige in einer griechischen Kleinstadt tutElisa Henke macht einen Europäischen Freiwilligendienst im griechischen Serres. In der NGO PRAXIS arbeitet sie seit September 2019 mit Geflüchteten. Auf agorayouth schreibt sie eine kleine Serie über ihre Erlebnisse. In Teil Zwei berichtet Elisa, wie sie versucht, die Bevölkerung zu aktivieren und Brücken zwischen Einwohnern und Geflüchteten baut.
Neben der Unterstützung von Geflüchteten besteht ein Großteil meiner Arbeit aus der Vorbereitung und Umsetzung von internationalen Kampagnen. PRAXIS arbeitet sehr eng mit der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) zusammen. 2015 haben die Vereinten Nationen 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung des Staatenbundes festgehalten. Um diese Ziele und weitere externe Aktionen drehen sich auch die Kampagnen, die ich in meinem Freiwilligendienst organisiert habe.
Der Themenschwerpunkt der Kampagne kann mit einem internationalen Gedenktag, einzelnen Projekten wie etwa dem Projekt „FARE – Football against racism“ oder aber auch einem der anderen 17 Ziele der Vereinten Nationen zusammen hängen. Die Ausrichtung der Projekte variierte also sehr stark, wobei der Aufbau eigentlich immer ähnlich blieb: Jeden Monat entschieden wir im Team, welche internationale Kampagne von welchem Freiwilligen organisiert wird. Dabei kommt es ganz auf die individuellen Fähigkeiten, Interessen und Wünsche jedes einzelnen Teilnehmers an.
Wie entsteht eine Kampagne?Die meiste Arbeit für meine Projekte erfolgt im Vorfeld über Social Media. Nachdem ich einen Plan über mögliche Aktionen und Events entwickelt habe, begann das Bewerben der Kampagne über Social Media. An diesem Punkt fängt die journalistische Arbeit an. Ein Vorteil bei PRAXIS ist die Vielzahl medialer Kanäle, die mir von Beginn an für meine Arbeit zur Verfügung standen: Neben unseren Konten bei Plattformen wie Instagram, Facebook und Youtube, gibt es auch eine Website, einen Blog und vor allem eine Radiostation, die ich für das Bekanntmachen der Projekte nutzen konnte.
Der Gestaltung der Projekte und Aktivitäten selbst waren keine Grenzen gesetzt. In den letzten sechs Monaten habe ich unter anderem Fußballturniere für Flüchtlinge organisiert, Fußabdrücke auf der Straße gesammelt und Interviews mit Passanten auf der Straße geführt.
Zwischen Fehlschlägen und ErfolgenDie Reaktionen der Bürger von Serres auf unsere Projekte sind dabei sehr unterschiedlich: In vielen Fällen mangelte es an der Partizipation der griechischen Bevölkerung bei unseren Aktionen. Es schien mir manchmal, als würden die Botschaften, die innerhalb der europäischen Community entwickelt werden, nicht in die Außenwelt dringen. Zugegebenermaßen sind das die Momente, in denen ich angefangen habe, an der Tragweite meiner Arbeit zu zweifeln und die Bedeutung unseres Projektes in Frage zu stellen.
Viel wichtiger als solche „Fehlschläge“ sind mir aber diejenigen Projekte, bei denen der Andrang viel stärker als erwartet war. Für die Sustainable Mobility Week im vergangenen September habe ich einen Informationsstand in der Innenstadt organisiert und Fußabdrücke der Bewohner als Zeichen für nachhaltige Fortbewegung gesammelt. Bereits nach kurzer Zeit waren alle unsere Flyer vergeben und das Laken, auf dem Passanten ein Zeichen setzen konnten, war voller bunter Fußabdrücke.
Einen Monat später haben wir für die Kampagne „FARE- football against racism“ ein Fußballturnier mit dem lokalen Fußballverein PANSERRAIKOS und zwei der lokalen Flüchtlingscamps organisiert. Kinder und Erwachsene haben an diesem Tag gezeigt, wie durch Sport Verbindungen geschaffen werden können, die alle Sprachbarrieren überwinden.
«Im besten Fall bilden unsere Kampagnen eine Brücke zwischen den Einwohnern und den Geflüchteten»Neben der analogen und der digitalen Umsetzung ist das Radio ein weiteres Medium, um unsere Projekte zu bewerben. Neben meiner wöchentlichen Sendung habe ich auch Radiomarathons oder Interviews zu verschieden Themen organisiert. Zu Gast waren dafür Aktivisten der Fridays For Future-Bewegung, andere Freiwillige und Geflüchtete, die ihre persönliche Geschichte mit dem Publikum geteilt haben. Mein persönliches Highlight war der Studio-Besuch einer Deutschklasse aus einer der Grundschulen aus Serres, die an Sankt Martin Kinderlieder auf Deutsch gesungen hat. Auch wenn wir unsere Sendungen nicht auf Griechisch, sondern auf Englisch machen, geben sie uns die Möglichkeit, uns bei der Bevölkerung Gehör zu verschaffen.
Es ist eine wahnsinnig seltene Möglichkeit, eine solche Reichweite für eigene Projekte dargeboten zu bekommen. Die Entwicklung von Kampagnen hat mich zu Beginn meines Freiwilligendienstes vor eine große Herausforderung gestellt: Nicht nur die Umsetzung der Projekte, sondern auch die Ideenfindung gestaltete sich manchmal problematisch. Einige Schwerpunkte unserer Kampagnen wie etwa zum Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer Holocausts sind sehr sensible Themen. Dabei das Gleichgewicht zwischen Aufklärungsarbeit und Diskretion zu finden, war für mich oft nicht so einfach. Umso stolzer war ich jedoch, wenn eine Veranstaltung erfolgreich waren.
Projekte mit LangzeitwirkungDie Botschaft unserer Kampagnen endet zudem nicht mit einer Aktivität. Projekte schlagen Wellen und regen im besten Fall ihre Teilnehmer und Außenstehende zum Nachdenken an. Seit unserem Event im Oktober 2019 ziert ein Banner mit der Aufschrift: „Lets kick racism out of football“ den Fußballplatz des PANSERRAIKOS Sportvereins.
Im vergangen Januar hat PRAXIS am Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocausts eine offene Ausstellung in Serres errichtet. Diese zeigte Monumente, Gedenkstätten aber auch Tagebucheinträge und Dokumente, die persönliche Geschichten von Opfern erzählen. Seitdem sind an einigen Gebäuden Plakate mit dem Flyer #WeRemember zu finden. Aufgehangen haben sie Schulklassen, die unsere Ausstellung besucht haben. Aber auch unser Radiosender, die Social Media-Kampagnen und die Artikel und Videos – unsere internationalen Projekte im Allgemeinen sind das Sprachrohr einer Kleinstadt, die sehr viel mehr Potenzial hat als sie vermuten lässt.
Dieser Beitrag ist Teil einer Reihe. Zum ersten Beitrag von Elisa Henke geht es
hier entlang. Der dritte und letzte Beitrag wird sich mit der Situation der Geflüchteten in Serres und Elisas Arbeit mit ihnen beschäftigen.
Text und Fotos: Elisa Henke