Der Syrer Mohamad Hamo (28), zur Zeit im zweiten Ausbildungsjahr als Fachinformatiker für Systemintegration und die Iranerin Marjan Hosseini (45), Sportwissenschaftlerin aus Teheran, engagieren sich seit 2019 beim Projekt „Babellos“ als freiwillige Sprachbegleiter:innen in der Geflüchtetenarbeit. Mit ihnen sprach Irmgard Schenk-Zittlau. Welche Sprachen sprecht ihr? Marjan: Ich spreche Persisch und Deutsch. Persisch wird im […]
„Dann habe ich mir gesagt: Ich kann selber helfen, die Leute haben dieselben Probleme wie du!“ – Freiwillige Sprachbegleiter:innen berichtenDer Syrer Mohamad Hamo (28), zur Zeit im zweiten Ausbildungsjahr als Fachinformatiker für Systemintegration und die Iranerin Marjan Hosseini (45), Sportwissenschaftlerin aus Teheran, engagieren sich seit 2019 beim Projekt „Babellos“ als freiwillige Sprachbegleiter:innen in der Geflüchtetenarbeit. Mit ihnen sprach Irmgard Schenk-Zittlau.Welche Sprachen sprecht ihr?Marjan: Ich spreche Persisch und Deutsch. Persisch wird im Iran, in Afghanistan und Tadschikistan gesprochen.
Mohamad: Ich vermittle Deutsch und Arabisch. In den arabischen Ländern gibt es sehr unterschiedliche Akzente. Aber in Syrien
habe ich arabische Literatur studiert, daher verstehe ich sie alle.
Wie und warum seid ihr freiwillige Sprachbegleiter:innen geworden?Marjan: Ich bin für meine Doktorarbeit nach Deutschland gekommen. Ich sprach fast kein Deutsch und meine Gastfamilie kein Persisch. Als ich mich im Rathaus anmelden wollte, konnte mir niemand helfen. Ich suchte ganz, ganz dringend jemanden, bis sich endlich jemand fand. Später habe ich mir gesagt: Du kannst selber helfen, die Leute haben dieselben Probleme wie du! Eine Freundin arbeitete in einem Flüchtlingscamp und fragte: Hast du Zeit? Die Flüchtlinge brauchen Hilfe, wenn sie zum Arzt oder zu Behörden gehen. Ich sagte „ja“. Wenn man helfen kann, haben die Leute eine Zukunft. Das war mir sehr wichtig. Ich mag es, zu helfen, die Leute sind glücklich und ich selber auch. Dann wollte ich das richtig weitermachen. Ich habe mich bei der KFA angemeldet und angefangen.
Mohamad: Ein Freund aus Köln hatte mir von „Babellos“ erzählt, als ich noch in Baden-Württemberg lebte. Ich bin dann hierher gezogen, habe weiter an meiner Sprache gearbeitet und gefragt, ob ich die Chance bekomme, einzusteigen. Vor sieben Jahren bin ich nach Deutschland geflüchtet, und Freiwilligen-Organisationen haben mich unterstützt mit der Sprache, mit Unterlagen, bei Anträgen und Verträgen… Seitdem hatte ich die Hoffnung, dass ich mich auch selbst mal einbringen und mitmachen kann.
Was sind denn typische Situationen, bei denen ihr übersetzt? Beide: Vor allem bei Behörden und Ärzten. Manchmal auch in der Schule, wenn es um die Anmeldung eines Kindes geht, aber das ist nicht so häufig.
Bereitet ihr euch speziell auf eure Einsätze vor?Marjan: Ja, ich habe zum Beispiel medizinische Vokabeln für den Augenarzt und Zahnarzt gelernt. Beim Arzt ist das sehr wichtig, ich will dort hundertprozentig alles verstehen. Wenn ich etwas nicht verstehe, dann sage ich es, und dann klären wir das.
Mohamad: Wenn es um eine Operation oder einen schweren Unfall geht, dann geht es ganz direkt um das Leben eines Menschen. Das sind schwierige Gespräche. Ich habe mal einen Mann begleitet, der sehr schwer krank war. Und dann ist es auch richtig, wenn ich mehr als einmal beim Übersetzen helfe, denn dann braucht man spezielles Vokabular, um alles abdecken zu können. Ich will genau wissen und verstehen, was der Patient hat. Ich will die Begrifflichkeiten kennen, damit es keine Missverständnisse gibt.
Was muss man denn können, um Babellos zu werden?Mohamad (lacht): Man muss B2-Niveau haben, aber man muss kein Chirurg sein.
Marjan: Man muss Zeit haben, das ist wichtig, und Geduld.
Als Sprachbegleiter:innen seid ihr Mittler zwischen der deutschen Seite und Geflüchteten, die oft große Probleme haben, zum Beispiel mit dem Aufenthaltsstatus. Wie wichtig sind Distanz und neutrales Verhalten für euch? Mohamad: Es gibt Leute, die eine Aufenthaltserlaubnis, aber keine Arbeitserlaubnis haben. Da ist dieser rote Strich im Pass. Die wissen oft nicht, was das bedeutet, ich schon. Manchmal streiten sich beide Parteien. Ich bin froh, dass ich neutral bleibe. Aber wenn ich etwas vermittele, will ich wissen, worum es geht. Ich bin ja nicht juristisch ausgebildet. Darum habe ich mich mit den Gesetzen auseinandergesetzt, ich habe viele Paragraphen durchgelesen.
Marjan: Ja, Distanz ist auch wichtig. Manchmal gibt es auch Schwierigkeiten. Es ist schon passiert, dass ich extra frei genommen hatte, und die Leute kamen einfach nicht. Manche versuchen auch, mich privat zu erreichen. Dann sage ich aber, dass es zu viele Anfragen sind. Meine Handynummer gebe ich auch nicht weiter. Es passieren aber auch komische Dinge: Einmal habe ich eine Frau zum Zahnarzt begleitet, die war Influencerin. Sie machte die ganze Zeit Selfies, erzählte, wo sie gerade ist, und ich wusste gar nicht, wie oder ob ich mich dafür entschuldigen soll.
Ihr sagt beide, dass ihr anderen helfen oder etwas zurückgeben wollt. Was bringt das Engagement euch persönlich?Marjan: Die Leute sind meistens froh und bedanken sich, das macht mich glücklich. Das Ganze ist auch eine Herausforderung, man muss sich überwinden, man darf nicht immer nur an sich denken.
Mohamad: Ich helfe gern, und ich mag Gesellschaft und Kontakte, aber ich unterstütze auch mich selbst. Eigentlich versuche ich jeden Tag, die deutsche Kultur besser zu verstehen. Ich habe so viele Begrifflichkeiten gelernt, die ich sonst nie gelernt hätte. Aber dank dem Engagement bei Babellos muss man sie lernen. Ich mag dieses „Muss“! Und ich rechne jetzt immer damit, dass es verschiedene Denkweisen gibt. Es hängt davon ab, wie man aufgewachsen ist.
Alle Infos zum Projekt Babellos:
www.koeln-freiwillig.de/babellos/