In unserer neuen Beitragsserien mit dem Titel “Politisches Einmischen, als …. ” möchten wir die Perspektiven ganz unterschiedlicher Gruppen hinsichtlich der politischen Teilhabe beleuchten. So können Sie in den folgenden Newslettern mehr über die Wahrnehmung von etwa Studierenden, Senior*innen, People of Colour, Schüler*innen oder Menschen mit Behinderungen zu zu deren Teilhabemöglichkeiten am politischen Prozess erfahren. […]
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Politisches Einmischen als …. StudierendeIn unserer neuen Beitragsserien mit dem Titel “Politisches Einmischen, als …. ” möchten wir die Perspektiven ganz unterschiedlicher Gruppen hinsichtlich der politischen Teilhabe beleuchten. So können Sie in den folgenden Newslettern mehr über die Wahrnehmung von etwa Studierenden, Senior*innen, People of Colour, Schüler*innen oder Menschen mit Behinderungen zu zu deren Teilhabemöglichkeiten am politischen Prozess erfahren. Hierzu laden wir Menschen aus den jeweils unterschiedlichen Gruppen ein, selbst über ihre Erfahrungen zu berichten und diese in einem Gastbeitrag für unseren Newsletter zu schildern. Dabei möchten wir ewtwa mehr darüber erfahren, ob die Möglichkeit zur politischen Teilhabe einen besonderen Wert für die jeweilige Gruppe darstellt, die Menschen ihre Teilhabechancen als gleichberichtigt empfinden oder aber auf Hindernisse und Herausforderungen stoßen und ob es Netzwerke gibt, denen sie angehören und mit deren Hilfe sie ihren Anliegen besser Gehör verschaffen können. Zum Start der Serie beschreibt Julian Bickmann, Student an der Katholischen Hochschule in Köln, seine Sicht der Dinge als Student.
Als Studierender im Masterstudium existieren erfahrungsgemäß wenige, feste Termine, relativ viel frei planbare Zeit und auch viel Gestaltungsspielraum, um sich tiefergehend mit den erhaltenen Denkanstößen zu beschäftigen. Seminare sind so konzipiert, dass verschiedene Perspektiven im Austausch mit den anderen Studierenden (und im besten Falle auch Dozierenden) auf „Augenhöhe“ reflektiert und diskutiert werden können. Entsprechend sind die Prüfungsleistungen auch als relativ offen und die Themenwahl als frei gestaltbar zu beschreiben. Diese Art des Lernens bietet immer wieder die Möglichkeit theoretische und komplexere Sachverhalte mit der Arbeits- und Lebenspraxis zu verbinden und zu diskutieren. Darüber hinaus bieten Hochschulen, durch ihre besondere Form der Selbstverwaltung, an vielen Stellen die Möglichkeit in diversen Hochschulgremien (AstA – Allgemeine studierenden Vertretung; StuPa – Studierenden Parlament; als auch in Fachbereichsgremien sowie themenbezogenen Ausschüssen) mitzubestimmen, mitzuwirken und „hinter die Kulissen“ der Organisation Hochschule zu schauen.
Was das mit „politischem Einmischen“ zu tun hat?
Eine Menge, wie ich finde. Politische Partizipation fängt für mich mit einer Idee an – die einem plötzlich in den Sinn kommt, die aufgeschnappt wird, die gemocht oder abgelehnt wird, entwickelt oder verworfen wird – und für andere dadurch sichtbarer und realer wird, in dem sie diskutiert, reflektiert oder vielleicht auch auf die Straße gebracht wird. Für mich kann dieses „politische Einmischen“ viele Formen haben und muss nicht immer für jede*n unmittelbar erkennbar sein, sich in konkreten Taten äußern und erst recht kein eindeutiges Label tragen.
Ein Beispiel hierfür bietet das Forschungsprojekt, welches fünf Komillitoninnen und ich im Zuge unseres Studiums in Kalk durchgeführt haben. Dabei wollten wir herausfinden, ob und wie sich Bürgerinnen in ihrem täglichen Leben (politisch) „beteiligen“ und gleichzeitig welche Voraussetzungen diese Menschen als sinnvoll erachten, um möglichst viele Menschen dazu zu bewegen sich zu beteiligen (einschließlich sich selbst). Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus den dazu durchgeführten Straßenumfragen: die Menschen haben ein sehr unterschiedliches Verständnis und auch Nicht-Verständnis davon, was „sich beteiligen“ (synonym dazu: politisch agieren, einmischen oder engagieren) bedeutet. Beispielsweise empfanden und benannten sich Eltern, die in der Elternpflegschaft tätig waren, gleichermaßen als „nicht gesellschaftlich engagiert“, wie Personen, die regelmäßig ihre Nachbarinnen durch Getränkelieferungen unterstützten oder auch Menschen, die sich regelmäßig zum „quatschen“ trafen. Was im weiteren Verlauf der Gespräche deutlicher wurde war, dass Menschen ein (politisches) Einmischen oder Beteiligen hauptsächlich als „das, was die Politik macht“ (die da oben vs. wir hier unten) oder in Zugehörigkeit zu gemeinnützigen Organisationen (Sportvereine, Tafel e. V., Amnesty International, etc.) definieren.
Aus meiner Sicht zeigt sich dadurch ein Defizit, welches im Zusammenhang mit politischer Partizipation und auch mit Hinblick auf ehrenamtliche Tätigkeiten insgesamt besteht: es existieren relativ klare Kategorien in denen „einmischen“, „mitmachen“ und „engagieren“ gedacht werden, wenn es um Politik und Gesellschaft geht. Dafür, dass jeder Bestandteil „der Gesellschaft“ und „der Politik“ ist und diese entsprechend durch das tägliche Handeln, Bewegen, Diskutieren und Konsumieren prägt, wird mit Bezug auf diese Kategorien allerdings häufig übersehen.
Welche Besonderheit bietet also das „politische Einmischen“ als Studierender?
Aus meiner Sicht können Hochschulen und andere Bildungsinstitutionen Denkanstöße leisten, sinnvolle Erprobungsräume und auch Resonanzböden für das eigene aber auch kollektive politische Denken und Handeln darstellen. Wie anfangs geschildert bieten die Strukturen hierzu unter Umständen viele Freiheiten und gute Möglichkeiten des Austausches beziehungsweise Diskurses. Wie so häufig kommt es allerdings darauf an, ob an diesen Stellen personell und strukturell ein ernsthaftes Interesse daran besteht Spielräume zu öffnen und entsprechend auch auszuhalten, dass kategorische Vorgaben und Prozesse einschränkend wirken. Dies kann, wie dargestellt dazu führen, dass Menschen sich als politisch unbeteiligt oder apolitisch definieren, obwohl sie bereits einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Stabilisierung oder Veränderung der Gesellschaft leisten.
Mein Wunsch wäre es, durch meine Erfahrungen innerhalb beschriebener Gremien, innerhalb meines Studiums und auch anhand weiterer Forschungsvorhaben einen Anstoß dafür leisten zu können, dass Menschen häufiger in den Austausch über das kommen, was sie im Besonderen bereits leisten. Im besten Falle kann dadurch eine Kultur der gegenseitigen Anerkennung und des Austausches entstehen, die zu einem breiteren Verständnis von Beteiligung und politischem Einmischen führt.
Ein Beitrag von Julian Bickmann