Hülchrather Straße 1969 mietete Heinrich Böll, durch die Vermittlung Vilma Sturms, in der Hülchrather Straße im Agnesviertel eine geräumige Altbauwohnung mit sieben Zimmern. Neben den Privaträumen waren hier auch die umfangreiche Bibliothek (sie kann heute in der Kölner Zentralbibliothek besichtigt werden) und das Arbeitszimmer der Sekretärin untergebracht. Die Hülchrather Straße 7 war in den 1970er […]
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Wohnorte von Heinrich BöllHülchrather Straße 7, Wohnhaus der Bölls von 1969 bis 1982
Hülchrather Straße
Heinrich Böll auf dem Balkon in der Hülchrather Straße © Foto: Harry Schumacher
1969 mietete Heinrich Böll, durch die Vermittlung Vilma
Sturms, in der Hülchrather Straße im Agnesviertel eine geräumige Altbauwohnung mit sieben Zimmern. Neben den Privaträumen waren hier auch die umfangreiche Bibliothek (sie kann heute in der Kölner
Zentralbibliothek besichtigt werden) und das Arbeitszimmer der Sekretärin untergebracht.
Die Hülchrather Straße 7 war in den 1970er Jahren eine der bekanntesten Kölner Adressen. Die Fassade des Hauses gelangte im Zusammenhang mit der Verleihung des Literatur-Nobelpreises im Jahr 1972 in internationalen filmischen Portraits und Interviews Heinrich Bölls eine gewisse Berühmtheit.
Für die Ausgestaltung seiner Erzählungen und Romane zog Böll häufig reale Stadttopographien heran, so dass sich konkrete Beziehungen zwischen Georäumen und Texträumen herausarbeiten lassen. In seinem 1971 veröffentlichtem Roman
Gruppenbild mit Dame finden sich zahlreiche Passagen, in denen die Topographien rund um die Hülchrather Straße detailliert beschrieben werden und deutlich hervortreten. So wohnt die Protagonistin Leni in einer »Sieben-Zimmer-Wohnung« in der »Bitzerathstraße« in unmittelbarer Nähe eines alten Festungsgrabens in der »Neustadt«. Die Darstellung entspricht weitgehend den realen Wohnverhältnissen Bölls, der von 1969 bis 1982 mit seiner Familie in der nördlichen Kölner Neustadt nahe der alten Festungsanlage von Fort X in einer Sieben-Zimmer-Wohnung des Hauses Hülchrather Straße 7 lebte. Auch bei der Beschreibung der Hoyser GmhH, die im Roman ihren Sitz im 12. Stockwerk eines Hochhauses am Rhein hatte, orientierte sich Böll an dem zur Entstehungszeit des Romans im Bau begriffenen Hochhaus, des Kölner Versicherungskonzern Gerling. Mit dem sogenannten Ringturm, der sich am zentralen Ebertplatz an den Kölner Ringen befindet, schuf sich der Konzern ein repräsentatives und weit sichtbares Hochhaus in unmittelbarer Nähe zum Rhein.
In seiner Wohnung in der Hülchrather Straße traf Böll viele prominente Gäste, zu denen u.a. der bildende Künstler Joseph Beuys oder die Schauspielerin Romy Schneider zählen. Andere Zeitgenoss*innen wohnten sogar für einige Zeit dort, so etwa Wolf Biermann nach seiner Ausbürgerung aus der DDR im November 1976 oder Raissa Orlowa und Lew Kopelew, denen während ihres Deutschlandbesuchs ihre russische Staatsbürgerschaft entzogen wurde.
Heinrich Böll im Arbeitszimmer der Hülchrather Straße © Foto: Harry Schumacher
1971 schrieb Böll ein Portrait über seine Wohnstraße im Agnesviertel.
Hülchrather Straße Nr. 7, so der Titel, ist ein Text zu einem Fotofilm von Bernd Schauer (Regie) und Antonie Richter (Fotografie), der 1972 im Rahmen der dreiteiligen Serie »Schriftsteller in ihren Straßen« für den »Sender Freies Berlin« produziert wurde. Bölls Reflexionen und Gedanken umkreisen den Umzug aus dem damals noch ländlichen Vorort
Müngersdorf zurück in die Innenstadt, von spielenden Kindern und dem nachbarschaftlichen Miteinander bis hin zum Lärm und Schmutz der Großstadt.
Die Hülchrather Straße war die letzte Anschrift Heinrich und Annemarie Bölls in Köln bis zu ihrem Umzug aus der Stadt Ende des Jahres 1981.
»Es gibt eben sehr viele Köln, in meiner Erinnerung drei, vier, fünf Köln, und das gegenwärtige ist mir schon durch den Autoverkehr fremd, völlig fremd. Ich finde die Stadt auch zerstört durch diese riesigen lauten Straßen. Die Überquerung einer Straße ist schon ein Abenteuer und ein gefährliches. Das hängt auch mit dem Alter zusammen. Es wird einem alles fremd.« Bölls verließen Köln, weil ihnen das Leben zu hektisch und die Stadt vom Autoverkehr zunehmend dominiert wurde.
Anlässlich des 100. Geburtstage von Heinrich Böll produzierte der WDR 2017 eine Augmented-Reality Entdeckungsreise auf den Spuren des Autors durch das Agnesviertel. Samay Böll, die Enkelin Bölls, führt die Betrachter auf einem Videowalk auch in die Hülchrather Straße Nr. 7.
Böll folgen: Heinrich Böll – im Agnesviertel© – GE und Markus Schäfer
- Gabriele Ewenz, Dr. phil., Literaturwissenschaftlerin, Leiterin des Heinrich-Böll-Archiv und des Literatur-in-Köln Archiv (LiK)
- Markus Schäfer ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Heinrich-Böll-Stiftung, Berlin
Literatur
Siehe: Böll: Hülchrather Straße, Ders.: Weil die Stadt so fremd geworden ist, S. 217f.