Ein Hotspot der mittelalterlichen Buchkunst in Köln war das Klarissenkloster St. Klara – und Loppa vom Spiegel war sein hellster Stern. Jedenfalls ist sie die prominenteste Buchkünstlerin des Skriptoriums, das im 14. Jahrhundert seine Blütezeit erlebte. Das Klarissenkloster zählte um 1350 zu den elf Frauenklöstern der Stadt. Es befand sich auf dem Areal, das heute […]
Loppa vom Spiegel –Buchkünstlerin und NonneSkizzenbuch des Justus. Vinckeboons, Seite 62: Sankt Klara und Römerturm, um 1670. Kölnisches Stadtmuseum, Graphische Sammlung, Köln © Foto: Rheinisches Bildarchiv, rba_d036942_04
Ein Hotspot der mittelalterlichen Buchkunst in Köln war das Klarissenkloster St. Klara – und Loppa vom Spiegel war sein hellster Stern. Jedenfalls ist sie die prominenteste Buchkünstlerin des Skriptoriums, das im 14. Jahrhundert seine Blütezeit erlebte.
Das Klarissenkloster zählte um 1350 zu den elf Frauenklöstern der Stadt. Es befand sich auf dem Areal, das heute von den Straßen Zeughausstraße und Auf dem Berlich umfasst und von der Straße Am Römerturm durchschnitten wird. Das Kloster war eine Stiftung von Richardis von Geldern und ihren Söhnen aus dem Jahre 1297 und wurde 1306 geweiht. Rund 500 Jahre später, nämlich im Jahre 1802, wurden Kloster und Kirche im Rahmen der Säkularisation aufgelöst und nach und nach abgerissen. Der gotische Klarenaltar mit eingebautem Tabernakel, ein Prunkstück der einstigen Klosterkirche, befindet sich seit 1809 im Kölner Dom. Weitere Schätze konnten für die Kölner Museen gesichert werden. Im ehemaligen Gewölbe des Klosters befindet sich der Sancta Clara Keller, in dem zuweilen Veranstaltungen stattfinden. Dass der einstige Eckturm der römischen Stadtmauer gut erhalten ist, wird auf einer Gedenktafel dem Kloster zugeschrieben, das ihn als Abort nutzte.
Sancta Clara Keller, Köln, Am Römerturm 3 © Kaspar Kraemer, Foto: Stefan Schilling
Die exakten Lebensdaten der Loppa vom Spiegel (Loppa de Speculo) sind nicht überliefert. Sie wurde vermutlich zu Beginn des 14. Jahrhunderts in eine Kölner Patrizierfamilie geboren. Loppas Vater war demnach Heinrich van me Spegel, der dem Kölner Rat angehörte und auch als Bürgermeister tätig war. Das Klarissenkloster, dem sie sich anschloss, nahm zumal Frauen aus begüterten Häusern auf. Der Orden, der vom heiligen Franziskus und der heiligen Klara gegründet worden war, verlangte getreu dem Vorbild der Franziskaner ein frommes Leben in Klausur und Armut.
Im Skriptorium der Klarissen wurde nicht nur für den Klostergebrauch zu Werke gegangen. Der Ruf der Schreibstube war derart gut, dass diese Auftragsarbeiten übernehmen konnte. Damit sorgten die Klarissen nicht nur für geistliche Literatur über die eigenen Klostermauern hinweg, sondern besserten auch ihre Finanzlage auf. Zu diesen bestellten Werken zählt ein Messbuch für den Kölner Domdechanten Konrad von Rennenberg und ein Graduale, ein Buch mit Messgesängen, für die Dominikanerinnen von St. Gertrud.
Der Nachweis fällt generell nicht leicht, welche mittelalterliche Handschrift von wem geschaffen wurde. War es eine Person oder war es eine arbeitsteilige Kooperation, waren es Mönche oder waren es Nonnen? Wer also zog die Linien übers Pergament und markierte solcherart den Zeilenabstand, wer schrieb die Buchstaben, wer setzte die Noten, wer entwarf die Fabeltiere, Jagdszenen, Musikanten, wer illuminierte die Initialen und das elegant ausschwingende Blattwerk?
Graduale-Seite mit Loppas Hinweis, den Text geschrieben und die Noten gesetzt zu haben © Wallraf-Richartz-Museum & Fondation Corboud, Köln, Graphische Sammlung, Inv. M 23, Foto Stanislaw Rusch
Im Falle der Loppa vom Spiegel kommt uns die Nonne selbst zu Hilfe. In einem Antiphonar, das die Gesänge für die Stundengebete festhält, steht am Fuße einer Seite in Rot geschrieben, dass sie praktisch alle anstehenden Aufgaben von der Linierung bis zur Illumination übernommen habe. So geschehen »Anno domini MCCCL, maxima pestilentia videlicet existente« – also im Jahre 1350, als in Europa und auch in Köln die Pest aufs Schlimmste wütete. Eine weitere Angabe in eigener Sache steht in einem Graduale, von dem nur 15 Einzelblätter überliefert sind. Dort hält Loppa vom Spiegel fest, dass sie den Text geschrieben und die Noten gesetzt habe. Von der Ausmalung ist hier also nicht die Rede. Aber vielleicht war die Nonne auch nur zu bescheiden.
Zudem gibt es indirekte Hinweise. Dazu zählen die scheinbar beiläufig platzierten Zeichen der jeweiligen Künstlerin im Skriptorium. So verwendete Loppa – allerdings nicht nur sie – eine kleine rot-weiße Scheibe mit Kreis und Punkten (ja, in den Kölner Hansefarben Rot und Weiß). Überdies erkennt das geschulte Forscherauge aller Standardisierung zum Trotz die individuelle Handschrift. Karen Straub, auf deren Katalog-Beitrag anlässlich der Ausstellung
Von Frauenhand – Mittelalterliche Handschriften aus Kölner Sammlungen im Museum Schnütgen wir uns hier vor allem stützen, sagt über Loppa vom Spiegel: »Ihr Schriftbild ist sehr gleichmäßig und ausgewogen, die Buchstaben dabei leicht nach links geneigt. Kennzeichnend sind zudem etwa feine, schräge Striche über dem i und das Auslaufen der Buchstaben in nach rechts aufsteigenden zarten Strichen, sogenannten Haarstrichen.«
Schließlich ragt Loppas Buchmalerei heraus. Die Darstellungen sind für die Betrachtenden noch heute ein Quell der Freude. Einerseits ist da die sorgfältige Darstellung biblischer Themen innerhalb der Initialen. Andererseits kommen Humor und Fantasie im Rankenwerk und in den Drolerien zum Ausdruck, woraus sich ein schöner Kontrast zum Ernst der religiösen Texte ergibt. Nicht zuletzt fallen die zahlreichen Nonnenfiguren auf, die am linken Blattrand knien. Sie sind nach Auffassung von Joachim M. Plotzek ein weiteres »Erkennungszeichen« des Skriptoriums der Klarissen, in dem Loppa vom Spiegel so nachhaltig gewirkt hat.
– © Martin Oehlen, 2022
Martin Oehlen
geb. 1955 in Kaldenkirchen, kam 1980 nach seinem Studium zum
Kölner Stadt-Anzeiger. 1989 wurde er stellvertretender Leiter der Kulturredaktion; gemeinsam mit Reiner Hartmann übernahm Oehlen 1994 die Leitung des Ressorts Kultur; ab 2001 war er alleiniger Ressortleiter. Besonders verdienstvoll war sein Engagement für die Aktionen »Kultursonntag«, »Ein Buch für die Stadt« und für das monatliche »Büchermagazin« des
Kölner Stadt-Anzeiger. Als Autor und Rezensent arbeitet er auch nach seiner Pensionierung (2019) für den
Kölner Stadt-Anzeiger; gemeinsam mit Petra Pluwatsch betreibt Oehlen den Literaturblog
Bücheratlas.
Literatur
- Harald Horst u. Karen Straub (Hg): Von Frauenhand. Mittelalterliche Handschriften aus Kölner Sammlungen. Katalog zur Ausstellung im Museum Schnütgen, Köln, in Kooperation mit der Erzbischöflichen Diozesan- und Dombibliothek Köln. München 2022.
- Wolfgang Herborn u. Carl Dietmar: Geschichte der Stadt Köln. Bd. 4. Köln im Spätmittelalter. Köln 2019.
- Joachim M. Plotzek, Katharina Winnekese u.a.: Glaube und Wissen im Mittelalter – Die Kölner Dombibliothek. München 1998.
- Renate Mattick hat mehrere Aufsätze zu den Kölner Klarissen verfasst, unter anderem nachzulesen in den Wallraf-Richartz-Jahrbüchern und in den Veröffentlichungen der Johannes-Duns-Skotus-Akademie..