In der Pandemie konsumieren Jugendliche deutlich mehr digitale Medien. Der Fernunterricht verstärkt diese Entwicklung zusätzlich. Aus Sicht von Experten tragen die Schulen eine Mitverantwortung. (...)Gleichaltrige als wichtige Bezugspersonen«Wir unterschätzen, dass Jugendliche ohnehin in einer schwierigen Phase ihres Lebens sind – auch ohne Pandemie», sagt Stefanie Schmidt, Assistenzprofessorin für klinische Kinder- und Jugendpsychologie an der Universität Bern. Für Schmidt ist klar: «Das ganze Ausmass werden wir erst überblicken, wenn die Pandemie vorüber ist.»Dass Schulschliessungen nicht spurlos an den Jugendlichen vorübergehen, zeigt sich allerdings schon jetzt. Schmidt beobachtet deutlich mehr Fälle von Ängstlichkeit, depressiven Zuständen und anderen psychischen Problemen. «Jugendliche weinen mittlerweile gleich viel wie Kinder im Vorschulalter», sagt sie. Ein erheblicher Stressfaktor sei der Verlust des Kontakts zu Gleichaltrigen. «Jugendliche sind angewiesen auf diesen Austausch, die Gespräche, die gegenseitige Bestätigung und Unterstützung.»Gleichzeitig habe die Zeit, die Jugendliche vor dem Bildschirm verbringen, merklich zugenommen. Die James-Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW), die im April 2020 durchgeführt wurde, zeichnet ein klares Bild: Ein Drittel aller 12- bis 19-Jährigen in der Schweiz besitzt ein eigenes Abo, um Filme und Serien oder Musik zu streamen. 90 Prozent der Jugendlichen haben ein Konto bei Instagram oder Snapchat, über vier Fünftel nutzen diese Plattformen mehrmals pro Woche. 99 Prozent verfügen über ein eigenes Smartphone, das sie im Schnitt 3 Stunden und 47 Minuten pro Wochentag nutzen – am Wochenende sind es über 5 Stunden.Beschränkte Macht über das eigene Nutzungsverhalten«Viele digitale Medienangebote sind ‹addictive by design›: Sie sind durch Nudging so aufgebaut, dass die Nutzerinnen und Nutzer fast nicht mehr abschalten können und Ängste entwickeln, etwas zu verpassen, wenn sie offline sind», sagt Daniel Süss, Professor für Medienpsychologie an der ZHAW und Mediensozialisation und -kompetenz an der Universität Zürich als Co-Leiter der James-Studie. Es liegt also nicht in erster Linie an den Jugendlichen, wenn sie nicht mehr von Tiktok, Fortnite, Netflix und Co. wegkommen – sie haben schlicht nur eine beschränkte Macht über ihr eigenes Nutzungsverhalten, wenn sie nicht über hohe Medienkompetenz, Selbstreflexion und -disziplin verfügen.