Verschlüsselung: Sichere Kommunikationsanbieter warnen vor Hintertüren
[img=860x484]https://cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2021/01/nick-MgvhZNdAfDo-unsplash-860x484.jpg[/img]Vier europäische Software-Unternehmen warnen vor dem jüngsten Vorstoß der EU-Länder, verschlüsselte Kommunikation brechen zu wollen. Hintertüren würden die Datensicherheit in Europa bedrohen, heißt es in einem gemeinsamen Schreiben am Europäischen Datenschutztag.
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Verschlüsselung: Sichere Kommunikationsanbieter warnen vor HintertürenAm heutigen Europäischen Datenschutztag rufen vier Anbieter sicherer Kommunikation die EU dazu auf, ihre „verschlüsselungsfeindliche Rhetorik“ zu überdenken. Hintertüren in Verschlüsselung würden die Datensicherheit von Millionen von Europäern bedrohen und das Vertrauen in die Ende-zu-Ende-Verschlüsselung untergraben, schreiben die Unternehmen
ProtonMail, Threema, Tresorit und Tutanota in einer gemeinsamen Erklärung.
Zuletzt hatte der EU-Ministerrat im Dezember einen „rechtmäßigen Zugang zu Daten“ von
verschlüsselten Nachrichteninhalten gefordert. Zwar finden sich in der Resolution mit dem Titel
„Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung“ keine konkreten Vorschläge, die EU-Länder wünschen sich von den Diensteanbietern jedoch „technische und operative Lösungen“, um auf sichere Kommunikation zugreifen zu können.
Ohne Hintertüren können Anbieter auf Ende-zu-Ende-verschlüsselte Inhalte allerdings nicht zugreifen, da dies technisch nicht möglich ist. „Die Installation von Hintertüren in verschlüsselten Apps ist so, als würde man den Strafverfolgungsbehörden einen Schlüssel zum Haus eines jeden Bürgers geben“, erklären die vier betroffenen Diensteanbieter.
Debatte ohne Ende
Die im Dezember angenommene Resolution des europäischen Rates schließt an eine
jahrzehntelange Debatte an. Schon im sogenannten ersten
„Crypto War“ der 1990er-Jahre wurde nach Möglichkeiten gesucht, Verschlüsselung zu gewährleisten und trotzdem Zugänge für Strafverfolgungsbehörden zu ermöglichen. Doch was damals, wie
netzpoltik.org jüngst schrieb, „vergleichsweise sachlich“ erwogen wurde, scheint heute wieder vergessen.
Im Oktober 2020 gab der europäische Rat
„Schlussfolgerungen zur außerordentlichen Tagung des europäischen Rates heraus. Gegenstand waren COVID-19, der Binnenmarkt und die Industriepolitik, sowie Digitalisierung. In dieser Entschließung kam die Debatte um Verschlüsselung erneut auf den Tisch. Betont wurde die notwendige Verbesserung der Fähigkeit sich gegen Cyber-Bedrohungen zu schützen „insbesondere durch Quantenverschlüsselung, und den Zugang zu Daten für Gerichts- und Strafverfolgungszwecke sicherzustellen“.
Gleichzeitig wurde angeführt, dass „die europäischen Werte sowie ein hohes Maß an Datensicherheit, Datenschutz und Privatsphäre“ gewährleisten werden müssten. In der neuesten Resolution wird der Ministerrat deutlich konkreter und erwähnt die Ende-zu-Ende Verschlüsselung explizit als „wichtiges Instrument“ zum Schutz personenbezogener Daten. Im nächsten Satz wird sie hingegen zu einer große Herausforderung im Kampf gegen Cyber-Kriminalität. „Sicherheit durch Verschlüsselung und Sicherheit trotz Verschlüsselung“ würdigt also die Sicherheit der Nutzenden, betont aber insbesondere die Dringlichkeit für Instrumente für Justizbehörden.
Sicheres Verfahren
Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist ein Verfahren, das weit verbreitet Anwendung in alltäglicher Kommunikationstechnologie findet. Seit Jahren schon nutzen Messenger wie Signal, WhatsApp oder iMessage diese Technik. Ende-zu-Ende bedeutet Kommunikationsübertragung ohne Unterbrechung. Übertragene Inhalte können nur an den Endpunkten, also von den jeweiligen Kommunikationspartner:innen, entschlüsselt und ausgelesen werden.
Der
Wunsch der Justizbehörden, etwa nach dem Anschlag in Wien, auf Kommunikation potenzieller Täter:innen
zugreifen zu können, ist einigermaßen nachvollziehbar. Dennoch ist die viel betonte Balance ein Ding der Unmöglichkeit. Einmal eingerichtet, würden Hintertüren Verschlüsselung allgemein untergraben und zudem zu Missbrauch einladen.
Verschlüsselungstechnik ist nichts, über das argumentiert werden kann, sie beruht auf
Mathematik und die ist eindeutig. Wie die Kommunikationsanbieter ProtonMail, Threema, Tresorit und Tutanota in ihrem Gegenstatement auf den Punkt bringen: „Der aktuelle Entwurf der Resolution des EU-Ministerrates beruht auf einem eingeschränkten Verständnis der technischen Aspekte von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Denn Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist absolut, Daten sind entweder verschlüsselt oder nicht.“
Kommissarin versteckt sich hinter Worten
Obwohl bisher noch nichts entschieden ist, raten
Datenschützer:innen und Expert:innen dazu aufmerksam zu bleiben. Es ist zwar noch kein Gesetz im Entwurf, die Annahme der Entschließung bereitet jedoch einen Weg für einen Entwurf der Kommission. Die zuständige EU-Innenkommissarin
Ylva Johansson äußerte sich zuletzt ambivalent.
Zwar teilte sie in einem
Schreiben EU-Abgeordneten Anfang Januar mit, dass es keine Pläne gebe, Verschlüsselung zu verbieten. Allerdings fügte die Kommissarin hinzu, „weiterhin gemeinsam mit den Mitgliedstaaten mögliche rechtliche, operative und technische Lösungen für den rechtmäßigen Zugang zu solchen Daten [zu] prüfen.“
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