Interview: Mats FreyBenjamin Heisenberg: Fangen wir sozusagen ganz vorne an. Was hast du studiert, wie bist du zum Schreiben gekommen?
Mats Frey: Ich habe einen Film-Bachelor an der Züricher Hochschule der Künste gemacht aber damals die Vertiefung Sounddesign genommen, weil ich mich immer schon auch für Filmmusik und Sounddesign interessiert habe.
BH: Und du hast auch bei Filmen Sounddesign gemacht?
MF: Ja genau, zum Beispiel bei dem Kino-Dokumentarfilm “Unter Wasser atmen”. Und ich habe damals eine Weile in einem Tonstudio gearbeitet. Aber nachdem ich das Studium abgeschlossen hatte, wollte ich dann Werberegie machen. Damals fand ich dieses Dreißig-Sekunden-Format so faszinierend, weil in so kurzer Zeit interessante Stories erzählt werden können. Ein paar Jahre habe ich das gemacht, mich dann aber wieder mehr für längere Formate interessiert. Ich war schon ein großer Fan von Serien und es gab da an der International Film School in Köln (IFS) zum ersten Mal den Masterstudiengang “Serial Storytelling”, der wirklich auf Drehbuchschreiben für Serien spezialisiert war. Also habe ich mich beworben und das zwei Jahre lang studiert. So habe ich auch den Schritt nach Deutschland gemacht.
BH: War das ein guter Studiengang?
MF: Ja. Wir waren der erste Jahrgang und es war am Anfang noch im Aufbau. Aber vor allem bei Morgan Gendel, einem Drehbuchautor, der unter anderem für Star Trek geschrieben hat, habe ich richtig viel über Writers-Room-Prozesse gelernt und auch darüber, wie man eine Serie gut strukturiert. Wir bekamen auch erste Kontakte in die Branche, die mir sehr viel gebracht haben. Direkt nach dem Studium habe ich meine eigene Sitcom geschrieben, für die es auch viel Interesse gab, die aber am Ende aus verschiedenen Gründen nicht zustande kam. Deshalb war dann das Angebot für
How to sell Drugs online (fast) genial für mich. Es war ein super Thema und eine tolle Story und ich konnte mich sehr gut reindenken.
BH: Wie bist du da hingekommen?
MF: Das war so zwei Jahre nachdem ich an der IFS abgeschlossen hatte. Die BTF, die Bild und Ton Fabrik in Köln, die damals auch das “Neo Magazin Royal” mit Jan Böhmermann produzierten, hatte die erste Staffel schon gedreht. Die Serie war noch nicht auf Netflix zu sehen, aber sie haben direkt für die zweite Staffel weitergearbeitet. Sie waren auf der Suche nach neuen Autoren und Autorinnen mit gutem Dramaturgie-Wissen und haben dann bei der IFS einfach mal gefragt, ob es junge Absolventen gibt, die irgendwie zu ihnen passen könnten. So sind sie auf mich und Natalie Thomas gekommen. Das war ein super Match und hat irre Spaß gemacht. Als die erste Staffel dann auf Netflix on Air ging, waren wir extrem aufgeregt und hingen, anstatt die Bücher der zweiten Staffel zu schreiben, nur auf Social Media und auf News- und Kritikseiten ab, um zu sehen, was die Menschen von der Serie denken. Zu unserer Erleichterung wurde schnell klar, dass sie richtig gut ankommt, und da haben wir nach der zweiten direkt die dritte Staffel geschrieben.
BH: Gab es da schon einen Bogen für die Folgestaffeln?
MF: Es gab die erste Staffel, die ich vorab schauen konnte, weil sie schon geschnitten, aber noch nicht veröffentlicht war. Wie es danach weitergehen sollte, war komplett offen. Schon an der IFS hatten wir eine Vorgehensweise gelernt, die wir dann auch angewendet haben. Dabei kommt man beim Entwickeln eines Staffelbogens vom Groben immer mehr ins Detail. Wenn es sechs Folgen sind, zeichnet man aufs Whiteboard, was Morgan Gendel immer die “Silo-Beats” genannt hat. Die Episoden 1 bis 6 kommen also in Kasten, wie Silos. Oder man macht es einfach in Excel. Da steht drin, was in der Staffel passieren soll: Wo fangen wir an und wo wollen wir hin? Dann füllt man immer mehr ein und wenn es konkreter wird und die Episoden-Silos voller werden, kann man sich einer einzelnen Episode widmen, diese “breaken” und so kommt man dann ins Treatment und am Schluss ins Drehbuch.
BH: Wie viele Autor:innen wart ihr in dieser Zeit?
MF: Vor uns gab es zwei Autoren und den Headwriter. Dann kamen Natalie und ich dazu, so dass wir im Writers Room vier Autor:innen und der Headautor waren.
BH: Und ihr habt zusammen geplottet.
MF: Ja, genau, das ist eigentlich die fruchtbarste Zeit für einen Writers Room. Heutzutage gilt der Writers Room ja als das Allheilmittel, um coole Serien zu machen. Ich finde es wirkt nicht immer, aber um für den Plot Ideen zu sammeln, ist es super, verschiedene Stimmen zu haben. Wenn es in die Details geht, zum “Breaking”, das heißt zur Unterteilung der einzelnen Episoden in die drei Akte, dann kann man sich schon in Zweierteams aufteilen, aber am besten, wenn man weiß, wer am Schluss die Episode schreibt.
BH: Habt ihr dann auch die Dialoge und Figuren unter euch aufgeteilt? Danach, wer welche Figur und ihre Sprache besser kennt oder die Biografie besser versteht?
MF: Nein, das haben wir gar nicht gemacht und das kenne ich eigentlich von keiner Serie. Es ist ein wichtiger Job der Headwriter:in, am Schluss wirklich über alle Bücher zu gehen, um die Stimmen der Charaktere unter den Folgen kohärent zu machen.
Ich glaube, es wäre viel zu chaotisch, wenn die Charaktere in den Büchern von verschiedenen Menschen geschrieben würden. Natürlich kann man gesondert ein Dialog-Polishing machen, aber es ist wichtiger, dass die einzelnen Folgen in sich gut funktionieren. Deshalb werden die Episoden auf Autoren verteilt, nicht die Charaktere.
BH: Der oder die Headwriter:in hat aber die Kompetenz zu entscheiden, welchen Plot-Twist oder welche Storyline am Ende genommen wird und kann die anderen überstimmen?
MF: Ja, wenn die Hierarchie erstgenommen wird, was ich eigentlich sehr begrüße. Oft wird in Writers Rooms gesagt: „Wir sind hier alle gleich. Davon halte ich nicht so viel, auch wenn ich Staffwriter bin. Ich muss gar nicht die Verantwortung haben, aber wenn alle gleichberechtigt sind, dann entstehen oft unnötige Diskussionen. Ich vergleiche das immer mit der Schweizer Demokratie. Es ist zwar cool, dass alle mitreden dürfen, aber es braucht halt oft sehr lange.
Wenn die Vision vom Headwriter getragen wird, dann habe ich als Staffwriter überhaupt kein Problem, ihm eine Idee zu geben und er sagt „nein, wir gehen lieber in diese, andere Richtung“. Wenn der oder die Headwriter:in kompetent ist, dann macht das auch Spaß. Es ist insgesamt ein riesiger Team-Effort und wenn mich Freunde, die eine Serie von mir schauen, fragen: „War der Satz von dir?“, denke ich, das ist einfach egal, weil der wichtigste Satz, den ich von Morgan Gendel gelernt habe, ist: “There is no ownership in the Writers Room”. Als Staff Writer muss man sich vom Anspruch auf “die eigene Idee” lösen können. No one gives a fuck. Das ist so unwichtig, weil es nur darum geht, dass am Schluss eine geile Story da ist. Wenn alle Leute so denken, ist es viel angenehmer zu arbeiten, als wenn Leute immer dafür kämpfen, dass etwas ihr Witz, ihre Idee war. Deshalb gibt es ja auch die andere Regel im Writers Room: “Don’t pitch an idea twice.” Wenn der/die Headautor:in sagt: „Ja, klingt gut, aber wir überlegen mal noch weiter“, dann ist das eine freundliche Art zu sagen: „Die Idee nehmen wir nicht”. Wenn du dann nochmal mit der Idee kommst, zwingst du den/die Headwriter:in offen zu sagen: „Nein, das war keine gute Idee“. Dieses Gespür musst du haben und man braucht eine dicke Haut, um für sich sagen zu können: „Okay, das war keine gute Idee, wir gehen weiter“.
Frage aus dem Publikum: Entspricht diese Hierarchie auch eher dem amerikanischen System Serien zu machen?
MF: Absolut. Das amerikanische System funktioniert ja mit Showrunner:innen, die auch über den Regisseur:innen stehen und Autor:innen, die über den Regisseur:innen stehen. In Amerika heißen die Leute, die für eine Episode verantwortlich sind, eigentlich immer Writer/Producer. Das heißt, mit diesem Credit für deine Episode arbeitet in der Hierarchie die Regisseurin für den Writer/Producer und der ist auch am Set. Natürlich ist es dann auch Gang und Gäbe, dass am Set neu entschieden wird, wenn etwas nicht funktioniert und von den Autor:innen umgeschrieben werden muss. Adam McKay und auch die ganzen Comedy-Leute wissen, dass es immer gut ist, Autoren am Set zu haben, weil oft Dinge ausprobiert werden und weil die Autor:innen den ganzen Stoff am besten verstehen. Man wirft mal noch einen zweiten Satz rein oder versucht es einfach lustiger zu machen. Regisseure sind in diesem System oft nur für ein oder zwei Episoden zuständig und täuschen sich deshalb vielleicht leichter mit spontanen Änderungen. Ein Autor, eine Autorin kann dagegen oft genauer bestimmen, ob das im gesamten Kontext noch Sinn macht.
Bei
How to sell Drugs haben wir tatsächlich versucht so zu arbeiten. Mein Co-Autor Stefan Titze und ich waren oft auf dem Dreh und es war auch sehr spannend zu merken, dass Regisseure und Regisseurinnen, die erfahren sind, kein Zacken aus der Krone fällt, wenn sie einen Autoren fragen, wie etwas gemeint ist, oder ob das gut so ist, oder sie es nochmal anders machen sollen.
Ich glaube wir bewegen uns in Deutschland allgemein in diese Richtung.
Bei
Tschugger war ich mit David Constantin, der Regie geführt hat, zusammen Headautor und das war eigentlich das Best-Case-Szenario, weil du einen Typen auf dem Set hast, der immer komplett den Stoff versteht.
Publikum: In den letzten Jahren hat sich das Konsumieren von Serien ja so verändert, dass meist viele Episoden auf einmal gesehen werden und deshalb die Serien auch in Paketen veröffentlich werden. Hat das einen Einfluss auf das Schreiben, zum Beispiel auf die Cliffhanger?
MF: Die Cliffhanger betreffend eigentlich nicht, weil die Streamer ja immer wollen, dass man alles guckt und möglichst viel Zeit mit der Serie und auf der Plattform verbringt. Deshalb ist es mindestens gleich wichtig oder vielleicht sogar noch wichtiger geworden, dass die Cliffhanger so stark sind, dass man unbedingt dranbleiben will.
Was sich stark verändert hat, ist natürlich, dass es die Commercial Breaks nicht mehr gibt. Von den Amerikanern hat man immer Vier- oder sogar Fünf-Akt-Strukturen für die Episoden gelernt. Ich habe mich immer gefragt, was ist eine Fünf-Akt-Struktur? Und der Witz ist eigentlich, dass jede Geschichte eigentlich eine Drei-Akt-Struktur bleibt. Die zusätzlichen Act-Breaks kommen einfach von den Werbepausen. Zwischendurch kommt fünf Minuten Werbung und dann geht es wieder weiter. Oft haben amerikanische Autor:innen knackigere Episoden geschrieben, weil sie das verinnerlicht haben und wissen: hier brauche ich wieder etwas Krasses, so dass das Publikum nach der Werbung zurückkommt. Viele amerikanische Autor:innen machen das noch immer, auch wenn es die Werbepause beim Streamer nicht mehr gibt, und oft entsteht dadurch mehr Drive für eine Episode.
Publikum: Habt ihr mal versucht, eine Fünf-Akt-Struktur zu verwenden?
MF: Ja, bei der zweiten Staffel
How to sell Drugs online (fast) haben wir es mit einer Vier-Akt-Struktur versucht, aber es hatte keine Vorteile für uns. Ich glaube, dass im kollektiven Unterbewusstsein Storytelling in einer Drei-Akt-Struktur verankert ist. In der Comedy haben wir ja oft ein 30 Minuten Format und darin sehe ich fünf Akte aus meiner Erfahrung nicht.
Ich bin auch ein großer Fan von klaren dramaturgischen Formen. Wie das berühmte Pixar-Storytelling-Modell mit den fünf Sätzen: Once upon a time there was blablabla. Everyday this or that happened. One day… Because of that… Until finally… So kann man den gesamten Film auf die fünf wichtigsten Plot Points herunter brechen. Jeder Pixar-Film funktioniert so und ich mag das sehr. Leider wird das zum Teil sehr generisch angewendet und man muss immer aufpassen, dass der Zuschauer nicht sofort merkt: “aha, jetzt kommt Plot-Punkt eins und jetzt zwei…” Damit ist das Storytelling-erfahrene Publikum heutzutage dann schnell gelangweilt.
Publikum: Gibt es nicht kulturell gesehen einen Unterschied zwischen amerikanischem Storytelling und dem im europäischen Raum?
How to sell Drugs habe ich zum Beispiel in der Bildkomposition ans Amerikanische angelehnt empfunden, aber im Storytelling noch der deutschen Komödie verbunden.
MF: Ja, aber die Episoden waren schon klar nach drei Akten strukturiert. Es kamen Elemente dazu, auch, weil wir von BTF produziert wurden, die damals auch die ganzen Böhmermann-Sachen gemacht haben und so ein bisschen
The-Big-Short-mäßig Ausflüge in Erklärvideos machen wollten, die diese Struktur auch immer mal wieder aufbrechen.
BH: Diese kurzen, eingeschnittenen Nebengeschichten sind ja oft für die Komödie als Information wichtig, weil man sonst nicht lacht. Wenn es noch zu geheimnisvoll ist, dann zündet der Witz nicht. Wie berechnet ihr, was ihr von diesen Hintergrundgeschichten braucht und von den Voice Overs?
MF: Im Drehbuch waren viele Schnittsequenzen bereits geschrieben, aber ob die Witze zünden, merkst du oft erst im Schnitt und wir haben im Editing viel Zeit mit feinen Schnittänderungen verbracht. Wenn ich fünf Frames länger drauf bleibe, lachen die Zuschauer:innen. Wenn du zu früh raus gehst, nicht. Bei Comedy ist das Timing einfach extrem wichtig. Es gibt Schauspieler:innen, die selber ein super Timing haben und andere, die das weniger haben, kannst du im Schnitt retten. Natürlich kannst du inhaltlich einen Witz schreiben und beim Lesen lachen alle. Aber ob es dann im Schnitt funktioniert, ist eine andere Frage. Deshalb ist die Postproduktion so entscheidend.
BH: Mein Eindruck ist, dass
How to sell Drugs dieses sehr schnelle Tempo und eine hohe Witz- und Effektdichte hat,
Tschugger dagegen langsamer ist mit mehr Nähe zu den Charakteren.
MF: Bei
Tschugger spielen extrem viele Laiendarsteller:innen. Das ist auch eine der großen Leistungen von David, dass er gesagt hat: „Okay, wir nehmen Typecasts“. Die Darsteller:innen sind im richtigen Leben natürlich nicht wie im Film, aber sie sind einfach starke Persönlichkeiten und das spürt man sicher.
BH:
Tschugger hat auch im Buch mehr Zeit für längere Szenen.
How to sell Drugs ist viel höher getaktet.
MF: Ja, die Szenen sind viel kürzer. Ich glaube, das liegt auch daran, dass die Schweizer ein bisschen langsamer sprechen. Deshalb gab es bei
Tschugger immer wieder Szenen, die wir im Schnitt kürzen mussten. Aber beim Schreiben hat es sich von der Schnelligkeit her ähnlich angefühlt.
BH: Wie war es, Mundart zu schreiben?
MF: Na ja, Walliser-Deutsch kann ich nicht. Ich habe einfach immer meine Dialoge auf Zürich-Deutsch geschrieben und David hat sie dann „übersetzt“. Lustig war, dass ich rausgefunden habe, dass es im Wallis noch mal 50 verschiedene Versionen vom Walliser-Deutsch gibt, die sich untereinander sagen: „Du, das ist nicht Walliser-Deutsch!“, Die Schauspieler:innen reden also einfach, wie sie selber reden und passen das so oder so an.
Publikum: Ich kann mir vorstellen, dass mit den Laien viel improvisiert werden musste.
MF: Das ist eine spannende Frage, weil ich glaube, dass Improvisieren für Laien viel schwieriger ist. Bei
Tschugger wird kaum etwas improvisiert. Alles, was gesprochen wird, wurde auch so geschrieben. In Amerika, in den Comedy Serien, die wir alle lieben, wie “The Office” und “Community”, sind das sehr erfahrene Schauspieler:innen, von denen viele vom Improv kommen.
Wenn Judd Apatow beim Dreh sagt: „Biete mir noch was an“, ballern die Schauspieler:innen einfach so noch einen mega lustigen Satz raus. Das wäre bei Laien, glaube ich, schwieriger.
Publikum: Habt ihr euch beim Schreiben sehr an den Schauspielern, an deren Timing und ihrem Spiel, orientiert?
MF: Ja, es wächst schon ein bisschen zusammen. Es gibt ja diesen Autoren-Spruch über die Schauspieler:innen: In der ersten Staffel „they work for you“, in der zweiten Staffel „you work together“ und ab der dritten Staffel „you work for them”.
Bei
How to sell Drugs kam ich in eine Serie rein, in der die Charaktere schon existierten. Natürlich hatte ich dann immer die Schauspieler:innen im Kopf, als ich geschrieben habe. Maxi Mundt, der in der Serie die Hauptrolle des Moritz’ verkörpert, ist ein guter Freund von mir geworden und ich kann auch einfach mal schreiben: „Er macht dieses Moritz-Gesicht”. Und alle im Team wissen, wovon ich rede.
BH: Beide Serien
Tschugger und
How to sell Drugs sind ja visuell sehr aufwändig und mit einem starken Look versehen. Wie ist das hergestellt und was waren eure Referenzen?
MF: Na ja, ich bin ’86 geboren. Bei
Tschugger war es
Magnum PI oder
Beverly Hills Cop, die Action-Serien, mit denen wir aufgewachsen sind. Auch
Hotshots fand ich immer sehr lustig.
Tschugger war eine sehr teure Serie fürs Schweizer Fernsehen und zusätzlich eine Kooperation mit Sky. Trotzdem war das Budget um einiges kleiner als bei
How to sell Drugs. Deshalb war ich extrem beeindruckt von Sophie, der Produzentin und David Constantin, die schon seit Jahren Werbung zusammen gemacht hatten. Ich kam von
How to sell Drugs und wusste, wie teuer das alles werden würde und habe auch immer mal wieder gefragt, ob sie sicher sind, mit Helikopter und Staumauer und so weiter. Und David hat immer gesagt „It’s gonna work“. Und Rafi Kistler ist natürlich einfach ein sehr begnadeter Kameramann, der trotz knapper Zeit und wenigen Mitteln extrem tolle Bilder erzeugen kann.
Sie haben es wirklich hingekriegt und dabei extrem viel Pionierarbeit mit unglaublichem Einsatz geleistet, was den Look anbelangt und dafür, was man in der Schweiz machen kann. Jetzt haben alle das Gefühl, ab jetzt sehen Schweizer Serien so aus. Aber da muss man ein bisschen aufpassen, weil das extrem schwierig ist.
Publikum: Ich habe gehört, ihr hättet den Piloten vor der Finanzierung gedreht. Ist das richtig?
MF: Ja, einen Teil, also einen zehnminütigen Teaser. David hat das selbst finanziert, um zu zeigen, wie die Serie aussehen und wie die Stimmung sein soll. Erst daraufhin hat das Schweizer Fernsehen gesagt: „Ja, okay, das machen wir“.
Publikum: Konntet ihr davon etwas in den Film nehmen?
MF: Ja. Es verging viel Zeit bis zum Dreh und wir haben die Story nochmal umgebaut, aber wir konnten tatsächlich fast den ganzen Teaser brauchen.
Publikum: Hattet ihr dafür extra ein Drehbuch geschrieben?
MF: Ja, das war ein Teil vom ersten Pilot-Drehbuch. Aber wir haben den Teil nochmals so umgeschrieben und geschnitten, dass er als Teaser gut funktioniert. Übrigens wollten wir die Geschichte, also die horizontale Storyline, die sich über die ersten beiden Staffeln zieht, schon komplett in der ersten Staffel erzählen. Aber wir haben gemerkt, dass es viel zu teuer wird und viel zu viel Stoff ist. Deshalb haben wir die Geschichte sozusagen halbiert und dann zwei Staffeln draus gemacht.
BH: In diesen längeren Erzähllinien baut man ja den Konflikt langsam auf, dann gibt es den Klimax und dann braucht man eine Szene, um ausatmen zu können. Oft entstehen diese Momente erst im Schnitt. Denkt ihr das beim Schreiben mit?
MF: Ja, wir haben das immer “Character-Moment” genannt. Im Klischee, wenn der Charakter aus dem Fenster schaut und es regnet an die Scheibe (lacht). Das sind aber tatsächlich oft wichtige emotionale Montagen, die wir immer mitzudenken versuchen. Und manchmal merkt man auch erst im Schnitt, dass es so einen Moment braucht. Der große Unterschied zum Romanschreiben ist im Drehbuch, dass du keine inneren Dialoge schreiben kannst, abgesehen von der Voiceover, die du ja oft nur machst, wenn du merkst, dass man nichts versteht. Gleichzeitig sind genau das die Momente, in denen die Zuschauer:innen sehen, es wird nachgedacht, es verändert sich etwas in der Figur. Also musst du die Figur alleine zeigen.
Mittlerweile ist es ein sehr beliebter Trick, den inneren Monolog zu visualisieren, indem die Figur googelt, was sie denkt. Wir waren damit nicht die Ersten, aber ich sehe es jetzt immer öfter, auch bei
Dave – eine superlustige Comedy-Serie von und mit Lil Dicky – wird das überall angewendet. Die Figur hat einen Konflikt und dann siehst du wie sie die Frage googelt: „Wie soll ich meiner Freundin das und das erklären?“ Das ist ein bisschen billig, aber es funktioniert. Und lustigerweise fragen ja heute Menschen tatsächlich oft Google oder ChatGPT, wie sie sich verhalten sollen.
BH: Das ist doch ein schönes Schlusswort. Vielen Dank Mats für deine Zeit und die spannenden Einblicke. Wir freuen uns auf deine nächsten Arbeiten.
MF: Vielen Dank!
Das Gespräch führten Benjamin Heisenberg und Student:innen der ZHDK Abteilung Film mit Mats Frey
im Rahmen eines Master Talks der ZHDK
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