Social Media Öffentlich-rechtlichen organisiert?
Anlässlich der Vorgänge bei Twitter hat die seit August 2022 nun auch im Fediverse vertretene Rosa-Luxemburg-Stiftung @
Rosa-Luxemburg-Stiftung einen längeren Text von dem Medien- und Kommunikationswissenschaftler Christian Fuchs veröffentlicht .
https://www.rosalux.de/news/id/49524Im letzten Abschnitt geht es auch um Mastodon- die Kernaussage habe ich mal fett gekennzeichnet :
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Mastodon und öffentlich-rechtliche Internetplattformen: Demokratische Alternativen?
Ein demokratisches Alternativmodell zur kapitalistischen Kontrolle der öffentlichen Kommunikation ist die Schaffung eines öffentlich-rechtlichen Internets, also Plattformen, die von Netzwerken öffentlich-rechtlicher Medien betrieben werden. Das Manifest für Öffentlich-Rechtliche Medien und ein Öffentlich-Rechtliches Internet erhebt diese Forderung. Twitter hat öffentliche Bedeutung. Als öffentliches Gut, das öffentliches Eigentum ist und unabhängig von Staat und Kapital ist, würde es die demokratische Öffentlichkeit und die digitale Demokratie fördern. Internetplattformen, die die privaten Spielwiesen von Milliardären sind, verheißen hingegen nichts Gutes. Im besten Fall werden sie von partikularen Interessen geprägt, im schlimmsten Fall fördern sie Krieg und Faschismus.
Etliche enttäuschte Twitter-Nutzer:innen propagieren den Wechsel von Twitter zu Mastodon, einer im Jahr 2016 geschaffenen freien Software-Plattform. Es handelt sich um einen dezentralen Kurznachrichtendienst, bei dem einzelne Server, sogenannte Instanzen, von lokalen Organisationen betrieben werden. Neue Nutzer:innen melden sich bei einer solchen dezentralen Instanz an und sind dann auf Basis der derzeitigen Funktionalität primär dort tätig. Man kann Nutzer:innen auf anderen Instanzen folgen, es gibt aber keine globalen Hashtags, keine globalen Postings und keine globale Suche, wodurch kleine Mikroöffentlichkeiten entstehen. Mikroöffentlichkeiten fördern die Fragmentierung des Internets. Unter dem Schlagwort der Cyber-Souveränität wird heute oft die Ghettoisierung des Internets in abgekoppelte Untersphären gefordert. Diese Fragmentierungstendenzen müssen umgekehrt und nicht verstärkt werden. Wir brauchen heute keine Echokammern, in denen sich homogene Gruppen selbst applaudieren und über Gegner herziehen, sondern eine große, globale Öffentlichkeit, in der das Gemeinsame über das Trennende gestellt wird.
Derzeit funktioniert Mastodon als Medium nach dem Prinzip «Small is beautiful». Es kann sein, dass sich im Fall eines großen Wachstums an Nutzer:innen die Funktionalitäten hin zur Schaffung einer großen Online-Öffentlichkeit wandeln. Leider ist aber die Geschichte der progressiven Medien auch eine Geschichte des Ressourcenmangels, der Marginalität und der freiwilligen, selbstausbeuterischen, niedrig bezahlten und unbezahlten Arbeit. Bleiben sie klein und unbedeutend, so können sie der Kommunikationsmacht privater Medienkonzerne nichts entgegensetzen und verschwinden oft früher oder später ganz. Werden sie größer, so sind sie unter den heutigen Bedingungen mit der Gefahr der Kapitalisierung, also der Verwandlung in Kapital konfrontiert. Ob es gelingt, Alternativen zu privatkapitalistischen Internetprojekten wie Twitter, YouTube, Instagram, WhatsApp, Snapchat und zu staatskapitalistischen Internetprojekten wie TikTok, Weibo, VK und Odnoklassniki zu schaffen, ist ungewiss.
Die Perspektiven des öffentlich-rechtlichen Internets und der Plattform-Kooperativen sowie von deren Kombination sind reale Chancen, die bisher aber noch zu wenig entwickelt sind, um Entwicklungen wie ein von Elon Musk kontrolliertes Twitter etwas entgegenzusetzen. Die Schwäche der progressiven Bewegungen und Parteien im Zeitalter des neuen Faschismus findet damit ein Äquivalent im Bereich der öffentlichen Kommunikation. Die Zukunft wird zeigen, ob es gelingen kann und gelingen wird, die demokratische digitale Öffentlichkeit zu fördern oder ob wir in der (digitalen) Barbarei versinken werden.
Christian Fuchs ist ein Medien- und Kommunikationswissenschaftler. Er ist Autor von Büchern wie Der digitale Kapitalismus: Arbeit, Entfremdung und Ideologie im Informationszeitalter (2023), Digital Democracy and the Digital Public Sphere (2023), Digital Humanism (2022), Soziale Medien und Kritische Theorie (2. Auflage 2021) und Kommunikation und Kapitalismus: Eine kritische Theorie (2020) .
https://www.rosalux.de/news/id/49524+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++
Wenn Christian Fuchs von "Mikroöffentlichkeiten und Fragmentierung des Internets" schreibt und dann meint diese Fragmentierungstendenzen müssen umgekehrt und nicht verstärkt werden trifft das nicht den Kern.
Das Internet ist per definition ein Netz aus vielen verschiedenen Teilen bei dem aber jeder sich mit jedem verbinden kann... das ist das entscheidende und genau das ist auch im Fediverse einfach möglich. Globalen Hashtags, globalen Postings (was ist das?) und globale Suche würden zentrale Strukturen erfordern die wiederum unschöne Hierarchien mit sich bringen. Denn - Ja- von diesem öffentlich-rechtlichen Internet sind wir noch sehr weit entfernt. Allerdings bin ich mir auch nicht sicher, ob das in Bezug auf SM wünschenswert wäre. Im Gegensatz zu einem Fernsehsender oder einem Museum geht es ja bei SM um Interaktion. Soll SM Kommunikation am Ende öffentlich rechtlich moderiert werden? Das kann und will ich mir nicht recht vorstellen.
Das mit dem Ressourcenmangels, der Marginalität und der freiwilligen, selbstausbeuterischen, niedrig bezahlten und unbezahlten Arbeit stimmt sicher immer wieder. Aber der Kommunikationswissenschaftler hat die Glocken noch nicht recht Leuten hören. In dem Moment in dem jeder dezentral oder gar p2p an einem SM Netzwerk teilnehmen und auch einen Teil der Ressourcen ohne viel Aufwand für das Netzwerk mit aufbringt kann erledigen sich ein paar Dinge von selbst. Und für alle die da dennoch nicht mitkommen muss es öffentlich getragene Institutionen geben die unter die Arme greifen. Absolut. z.B. jedes Bürgerzentrum muss einen eigenen Server für ihre Klientel bieten... dass sollte kein Problem sein.