Die Kinder aus Korntal (2023)DOK Leipzig Salzgeber
Die Kinder aus Korntal (2023) von Julia Charakter
Der Missbrauch nach dem Missbrauch
„Sind so kleine Hände, winzge Finger dran. Darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann“. Mit der Ballade Kinder aus dem Jahr 1976 beginnt der Dokumentarfilm „Die Kinder aus Korntal“. Die Sängerin Bettina Wegner erklärt, wie Eltern ihre Kinder erziehen sollten, und verdeutlicht ihre Zerbrechlichkeit. Parallel werden alte Fotos spielender Kindergruppen eingeblendet. Für Außenstehende eine fröhliche Szenerie, die, wenn wir das Lied erneut hören, in sich zusammenfallen wird.
„Die Kinder aus Korntal“ von Julia Charakter widmet sich einem der größten Missbrauchsskandale der Evangelischen Kirche in Deutschland.
In Korntal, einem 9.000-Seelen-Ort in Baden-Württemberg, wurden seit den 1950er Jahren Hunderte Kinder in den Heimen der evangelikalen Brüdergemeinde missbraucht. Zwangsarbeit, körperliche Züchtigung und sexualisierte Gewalt waren an der Tagesordnung. Bis heute haben mehr als 150 ehemalige Heimkinder ihr Schweigen gebrochen, mehr als 80 Täter*innen wurden ermittelt. Weil diese sich gegenseitig deckten und die Umgebung wegsah, waren die Kinder dem Missbrauch jahrzehntelang schutzlos ausgeliefert. Als der Skandal 2013 an die Öffentlichkeit kommt, reagieren Gemeinde und Dorfgemeinschaft ablehnend: Es darf nicht sein, was sich nicht gehört. Erst als der Druck von außen wächst, initiiert die Gemeinde einen Aufarbeitungsprozess. Doch der ist umstritten: Opfer werden re-traumatisiert, ihre Aussagen angezweifelt. Bis heute kämpfen die Heimkinder aus Korntal um Aufklärung und Wiedergutmachung.