Das verlorene Gesichtvon Kurt Hofmann Die Diagonale, das Festival des österreichischen Films in Graz, bot auch 2025 wieder ein vielfältiges […]
Zur Diagonale 2025Das verlorene Gesichtvon Kurt HofmannDie Diagonale, das Festival des österreichischen Films in Graz, bot auch 2025 wieder ein vielfältiges Angebot mit Stoff für Diskussionen.
Narben eines PutschesÖsterreich, Belgien 2025
Regie: Nathalie Borgers
»Zeig mir deine Narben!«, sagt eine Frau, von der man nur die Stimme hört, und streicht mit ihrer Hand suchend über den Körper des Mannes, mit dem sie spricht. Der Ursprung dieser Narben sind Schusswunden, die den Mann, ihren Mann, einst fast das Leben gekostet haben.
In der Zeit der türkischen Militärdiktatur (1980) war der Mann von Nathalie Borgers, der Regisseurin von
Narben eines Putsches, im Widerstand; ein Teil des Filmes ist die Erinnerung an die Zeit des Kampfes, der Unterdrückung, Isolation und staatlichen Gewalt.
Der andere Teil verbindet diese Erinnerungen mit der gegenwärtigen Türkei und wirft ein bezeichnendes Licht auf die Ignoranz, der der Protagonist in Österreich, wo er nun schon seit Jahrzehnten lebt, begegnet. Das zeigt u.a. ein historischer Fernsehausschnitt aus einem Fußball-Europacup-Spiel der Wiener Austria gegen Galatasaray: Hier wird eine Protestaktion mit Transparenten gegen die Militärdiktatur vom österreichischen TV-Kommentator, der die türkische Sprache nicht spricht, als Störaktion von Kriminellen, womöglich aus terroristischen Kreisen, bezeichnet.
Ob sich seitdem viel im Verständnis für die Situation in der Türkei geändert hat? Man mag es bezweifeln.
Narben eines Putsches spürt den Narben nach, die Unterdrückung und Diktatur bei den Aktivist:innen hinterlassen haben, zeigt aber auch, wie sich jene nicht haben brechen lassen und wie aus deren Erinnerungen Lehren für den gegenwärtigen Kampf gezogen werden könnten.
The EndÖsterreich 2025
Regie: Norbert Pfaffenbichler
Keine Menschen, kein Dialog. Was Norbert Pfaffenbichler mit den von ihm konstruierten Stop-Motion-Figuren in
The End als dritten und abschließenden Teil einer dystopischen Trilogie zeigt, scheint auf den ersten Blick einfach gestrickt: Wie eine reiche Elite mit Hilfe paramilitärischer Gewalt die »Ureinwohner« demütigen und ausgrenzen, wenn »nötig« auslöschen will. Dies alles wirkt trashig, macht aber in Wahrheit einen Teil des Reizes von
The End aus.
Keine der Figuren in Pfaffenbichlers Film hat ein Gesicht. Unter der Maske wird eine andere Maske sichtbar, hält man ein Gesicht für plausibel, wird rasch eine neue Maske übergestülpt… Szenen, zu deren »Erklärung« und dramaturgischer Aufarbeitung ein »normaler« Spielfilm drei Rückblenden benötigen würde, dauern in
The End eine Minute, ohne an Klarheit und emotionaler Dringlichkeit zu verlieren.
Dies alles legt Spuren zum Stummfilm, zu den Anfängen der Filmgeschichte, und wenn man, wie der Rezensent, Teil 1 und 2 nicht gesehen hat, so ist das fehlende Vorwissen kein Hindernis, vielmehr Ansporn, einer Geschichte zu folgen, in der das Wie dem Was hilft, bei allem Vergnügen, den der Film auch bereitet, vom Einfachen zum Komplexen vorzustoßen.
The End zeigt, was Film kann, wenn man es kann.
HeimkehrDeutschland 1941
Regie: Gustav Ucicky
In der historischen Reihe des Festivals, wie immer kundig von »Synema« durch Brigitte Mayr und Michael Omasta begleitet, war diesmal unter anderem auch
Heimkehr zu sehen, einer der widerlichsten Propagandafilme des »Dritten Reichs«.
In konsequenter Verdrehung der Tatsachen wirkt
Heimkehr wie die filmische Variante des Überfalls auf den Sender Gleiwitz, bei dem als Polen verkleidete Nazis den Anlass für den Beginn des Zweiten Weltkriegs lieferten.
Und in
Heimkehr? Da wird die angebliche »Unterdrückung« der deutschsprachigen Bevölkerung in Polen gezeigt. Liest man den Film »seitenverkehrt«, so wird er, bei abgezogenem Pathos, auch schlüssig. Aber wie frech ist das, wenn Paula Wessely beim polnischen Bürgermeister die Rechte von Minderheiten einmahnt.
Auch später, in ihrer großen Rede im Gefängnis, der Filmszene, in der am häufigsten das Wort »deutsch« vorkommt, beklagt sie sich wortreich darüber, wie die deutsche Minderheit durch die polnische Staatsgewalt unterdrückt werde – und wie schlimm es sei, im Alltag ständig auf Polen und Juden zu treffen.
Eine Schule brennt, feixende Kinder stehen herum, es ist die deutsche Schule, aber die Kinder erinnern an die HJ. Im Kino wird ein Mann, der Film-Gatte der Wessely, gelyncht, weil er die polnische Hymne nicht mitgesungen hat. Endlich wieder deutsche Lieder: dem wird am Ende des Filmes, nach der »Befreiung« durch deutsche Truppen, ausführlich gehuldigt. Ein Hetzfilm der übelsten Sorte, raffiniert gemacht, wenngleich der Stil zahlreicher Darsteller:innen heute als »Overacting« bezeichnet werden müsste.
Nach 1945 war bei den Beteiligten die Erinnerung an die Mitwirkung in
Heimkehr verschwunden, es wurde auch nicht nachgefragt. Und als Paula Wessely in den 70er Jahren (von Axel Corti) im TV darauf angesprochen wurde, sprach sie von »tiefem Bedauern«, dabei nicht erwähnend, dass sie nach 1945 erneut mit dem Regisseur von
Heimkehr, ja sogar mit Veit Harlan, dem Regisseur von
Jud Süß, gearbeitet hat. Die Erinnerung, das ist ein seltsames Ding…