Mux’ Rückkehrvon Marina Hoffmann MuxmäuschenstillxDeutschland 2024Regie: Jan Henrik Stahlberg Wünschen wir uns nicht alle manchmal jemanden, der mit lauter Stimme […]
KinotippMux’ Rückkehrvon Marina HoffmannMuxmäuschenstillx
Deutschland 2024
Regie: Jan Henrik Stahlberg
Wünschen wir uns nicht alle manchmal jemanden, der mit lauter Stimme und einer Waffe für Gerechtigkeit eintritt? Jemanden ohne Skrupel, der nicht nur Reden hält –
könnte, sollte, wäre gut, wenn… –, sondern aktiv wird? Mit klaren Werten und hohen Zielen? So jemand ist für Fans wieder im Kino zu sehen; im unerwarteten zweiten Teil der Low-Budget-Satire
Muxmäuschenstill.
Mux ist radikal, er ist übergriffig, vielleicht ist er auch Psychopath. Im ersten Teil sorgte er für Recht und Ordnung auf den Straßen. Schon in der ersten Szene schraubt er einem Raser das Lenkrad ab. Nur von seinen Ansichten legitimiert, lässt er sich von Schwarzfahrer:innen Geld für ein Ticket geben. Spätestens wenn sich eine Ladendiebin vor ihm und mitgefilmt ausziehen muss, oder er eine Frau erzieht, weil sie sich für Geld küssen lassen würde, lacht hoffentlich niemand mehr. Doch er hat Erfolg, gründet einen Verein und expandiert ins Ausland. Seine Forderung: Mehr Eigenverantwortung!
Das Auto, das ihn am Ende trifft, schickt Mux nicht ins Jenseits, sondern ins Wachkoma. Zwanzig Jahre lang konnte er aus seinem Krankenhausbett der Welt und Deutschland beim Verfall zugucken. Das neue große Problem heißt »Neoliberalismus«, dem er in Muxx sein muxistisches Manifest entgegensetzt.
Wie die Linke im letzten Wahlkampf geht er von Tür zu Tür und wirbt neue Muxisten an. Er hat seine Ansichten und Ziele geändert, seine Herangehensweise bleibt aber die gleiche. So erklärt er beispielsweise Obdachlosen, wie er sie aus der Mittelschicht verabscheut, um sie so für seine Sache zu gewinnen. Die unsolidarischen Schmarotzer sind nicht die ganz unten, sondern die ganz oben.
Die Oberen werden kurzerhand überfallen, ausgezogen, in einen Raum gesetzt und so davon
überzeugt, dass der Muxismus doch für alle gut ist. Mux und seine Mittel sind durch und durch undemokratisch und radikal. Die, die sich nicht zu benehmen wissen oder die, die nicht aktiv werden wollen, werden, wie im ersten Teil, entweder bloßgestellt, bedroht oder auch mit Pfefferspray gequält und kurzerhand in die Bewegung eingebunden. Es bleibt abzuwarten, ob Muxx mit seinen übergriffigen Methoden den linken Bestrebungen und der ernsten Idee des Solidarjobs nicht eher schadet.
Denn die Idee ist wirklich gut. Ein Video im Film erklärt den Solidarjob: Finanziert durch eine Vermögensteuer werden Firmen bezuschusst, die eine Bürgergeld empfangende Person anstellen und mit dem Zuschuss bezahlen. So ergibt sich für diese und alle anderen Personen der Firma eine Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich. Mehr Arbeit führt zu mehr Ausgaben und damit zu mehr Steuern.
Diese Idee ließe sich auch in der Realität leicht umsetzen. Die Vermögensteuer muss in Deutschland nicht eigens eingeführt oder groß diskutiert werden, es gibt sie bereits. Seit 1997 ist sie lediglich ausgesetzt. Ob Mux für diese Idee wirklich von den Toten auferstehen musste, oder ob es das Video im Film alleinstehend nicht auch getan hätte, ist fraglich.
Fehlende polizeiliche Verfolgung oder Gegenwehr, eine schnell gesammelte, größer werdende Gefolgschaft und Entführungen von Superreichen sind unrealistisch und machen sofort klar, dass es sich um eine Komödie handelt. Schwarzer Humor kann zum ernsthaften Nachdenken anregen, sicher. Es gibt Gründe, weshalb mir irgendwann das Lachen im Hals stecken bleibt. Wenn ich diese Gründe benenne, finde ich die Grenzen des guten Geschmacks und Argumente, weshalb ich nicht mehr lachen kann. Doch wenn das Lachen von Anfang an ausbleibt, scheitert die schwarze Komödie, weil die Erkenntnis fehlt.
Zu allem Überfluss ist Mux ein alter weißer Mann, der von Kindern der Klimabewegung genau deshalb nicht angehört wird. Der Begriff des »alten weißen Mannes« meint im besten Fall, ähnlich wie das Wort »Boomer«, genau die überhebliche Unbelehrbarkeit der zumeist privilegierten Männer, die Mux an den Tag legt. Mux, der selbst übergriffig, sexistisch, altmodisch und brutal ist. Der Film plädiert zwar für eine Auflösung des Personenkults und stellt die Frage, ob gute Ideen nicht auch von schlechten Menschen vertreten werden können – die Frage nach dem Motiv, woher Mux’ plötzlicher Sinneswandel und seine neuen Ziele kommen, bleibt dennoch bestehen.
Dass es vergleichbare, gerade junge Menschen gibt, die »alten weißen Männern« grundsätzlich nicht zuhören wollen, ist nicht von der Hand zu weisen. Dass der Film solche Menschen nicht erreichen wird, ist allerdings auch klar. Zumal ein Generationenkonflikt in den Hintergrund treten sollte, sobald sich alle wieder als eine Klasse begreifen.